Full text: Einleitung in die Philosophie

236 $ 24. Allgemeinste Gesetze des Bewußtseinsverlaufe. 
Einzeln betrachtet besteht zwischen der Vorstellung des heuti- 
gen und des gestrigen Complexes von Tönen kein Unterschied 
Finden wir dennoch einen solchen Unterschied vor, so kann 
er folglich seinen Grund nur in der Verschiedenheit der 
anderen Inhalte haben, welche jenen Complex gestern be- 
gleiteten, und derer, welche ihn heute begleiten. In der Tat 
kann ich den zeitlichen Unterschied des gestrigen Krleb- 
nisses von dem heutigen nur dadurch charakterisieren, daß 
beide in der Succession meiner Erlebnisse verschiedene Stellung 
einnehmen, d.h. daß eben die umgebenden —- die voran 
gehenden und nachfolgenden — Inhalte in beiden Fällen ver- 
schieden sind. Damit also nicht bloß ein Wiedererkennen des 
gegenwärtigen Inhaltes, sondern zugleich die Erkenntnis statt- 
finde, daß er mit dem betreffenden gestrigen Erlebnis gleich- 
artig ist, ist nur nötig, daß das Gedächtnisbild des größeren 
Complexes bemerkt werde, welchem das gestrige Krlebnis 
angehörte. Die Tatsache der Erinnerung an Complexe also 
gibt uns auch auf diese Frage die Antwort: indem nicht bloß, 
wie es für das Wiedererkennen erforderlich ist, das einzelne 
Gedächtnisbild des gleichartigen Inhaltes, sondern dasjenige 
jenes bestimmten Complexes sich an den gegenwärtigen neuen 
Iohalt anschließt, entsteht das Phänomen, welches man ge- 
meiniglich als Ähnlichkeitsassociation zu bezeichnen pflegt. 
Daß jenes einzelne Gedächtnisbild sich anschließt, war für 
das Wiedererkennen notwendige Bedingung; daß es sich nicht 
in dieser Isoliertheit anschließt; ist eine Folge der Tatsache, 
daß unsere Krlebnisse, wie sie nicht isoliert auftreten, so 
auch im Allgemeinen nicht isoliert, sondern in größeren Com- 
plexen erinnert werden. Auch die Tatsachen also, welche 
man in dem Gesetz der Ähnlichkeitsassociation zusammengefaßt 
hat, erweisen sich als notwendige Folgen jener Faetoren, die 
wir als Bedingungen für die Einheit unseres psychischen 
Lebens erkannt haben. 
Beide Associationsgesetze treten somit hier nicht mehr 
wie in der Associationspsychologie gleichsam als eine fremde 
Macht zu den Inhalten unseres Bewußtseins hiuzu, sondern 
stellen sich vielmehr als immanente Gesetze alles Bewußt- 
seinslebens dar -— als Consequenzen der Faetoren, ohne
	        
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