Full text: Einleitung in die Philosophie

$ 26, Gestaltqualitäten. 3 
der letztere erst entstehen und von uns verstanden werden, 
nachdem jene "Tatsache vorhergegangen ist.) Der Einwand 
wäre berechtigt, wenn die Theorie das Urteil „dieser Ton ist 
ein Violinton“ auf das andere Urteil zurückführen wollte 
„dieser Ton ist jenem anderen Tone ähnlich“ Um dieses 
letztere Urteil zu fällen, müßte allerdings der abstracte Be- 
griff der Ähnlichkeit vorausgesetzt werden. Allein nicht dieses 
Urteil über die Ähnlichkeit, sondern die für das Bewußtsein 
vorhandene Tatsache der Ähnlichkeit ist das, was die Theorie 
für die Erklärung der Abstractionsvorgänge fordert. Daß aber 
das Vorfinden einer Tatsache und das Beurteilen derselben 
nicht ein und dasselbe ist, zeigt ein einfaches Beispiel. Damit 
ich über eine Farbe in meinem Gesichtsfelde urteilen könne, 
muß zunächst diese Farbe in. concreto von mir vorgefunden 
sein, erst nachdem sie vorgefunden ist, kann sich das Urteil 
an sie anknüpfen, welches ihre nähere Bestimmung angibt. 
Genau dasselbe gilt nun hinsichtlich der Ähnlichkeit: damit 
ich die Ähnlichkeit beurteilen könne, muß zunächst eben der 
Tatbestand in meinem Bewußtsein gegeben sein, welchen ich 
beurteilen soll. Die Beurteilung der Ähnlichkeit und das 
blaßs Vorfinden derselben ist also keineswegs dasselbe; da- 
mit jene eintreten könne und ebenso damit der abstracte Begriff 
der Ähnlichkeit gebildet, werden könne, muß dieses Vorfinden 
bereits vorhergegangen sein. Nur auf dieses Vorfinden aber 
stützt sich die vorgetragene Theorie. 
S 26. Gestaltqualitäten, 
Zu neuen und für das Verständnis der Entwicklung unseres 
Erkenntnisbesitzes bedeutsamen Folgerungen führt uns die 
Anwendung der vorhergegangenen Betrachtungen auf den Fall 
einer Mehrheit von Inhalten. 
i) Der abstracte Begriff der Ähnlichkeit bildet sich in derselben 
Weise wie der abstracte Begriff der Tonhöhe durch das Wiedererkennen: 
die Ähnlichkeitsbeziehung ist diejenige Qualität, welehe allen Complexen 
von je zwei solchen Inhalten gemeinsam ist, die.als „ähnliche“ Inhalte 
erkannt werden. Vel. den folgenden Abschnitt. 
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