Erwartung. ‚7
Inhaltes zu anderen Inhalten sich stets in Form von Wahr-
nehmungsbegriffen bezeichnen lassen, denen der gegebene Com-
plex von Inhalten einzuordnen ist, wie dies unsere früheren
Betrachtungen gezeigt haben, bleibt eine dieser Beziehungen
von solcher Beurteilung deshalb ausgeschlossen, weil die In-
halte, zu denen der gegebene Inhalt in diese Beziehung tritt,
überhaupt noch nicht gegeben sind, so daß ein auf sie
bezügliches Wahrnehmungsurteil unmöglich ist: — die Be-
ziehung des gegebenen Inhaltes nämlich zu den zukünftigen
Inhalten. |
_ Tatsächlich müssen wir eine solche Beziehung nicht nur
überall voraussetzen, sondern wir können auch nicht umhin, die-
selbe jederzeit mitzubeurteilen. Ist doch der allgemeinste
Begriff eines Erlebnisses, den wir auf Grund aller vergangenen
Erfahrungen besitzen und somit der allgemeinste Begriff, dem
wir irgend einen neuen Inhalt unterordnen können, nicht der
eines isolierten Erlebnisses oder einer abgeschlossenen Gruppe
von Erlebnissen, sondern der eines Gliedes aus einer successi-
ven Reihe, d. h. eines Inhaltes, dem noch weitere Inhalte
folgen. Demgemäß können wir auch keinen Inhalt ohne jede
Beziehung zu folgenden Erlebnissen denken; die Einordnung
jedes neuen Inhaltes unter den allgemeinsten Begriff eines
Erlebnisses, den wir auf Grund unserer bisherigen Erfahrungen
besitzen, schließt vielmehr stets den Gedanken an noch nicht
gegebene, erst zu erwartende weitere Erlebnisse mit ein.
Diese Erwartung?) weiterer Erlebnisse aber erhält. ver-
möge desselben Princips sogleich eine nähere Bestimmung.
Ein Inhalt bestimmter Art wird uns nämlich auf Jrund unserer
bisherigen Erfahrungen über das Auftreten solcher Inhalte im
Allgemeinen nicht beliebige, sondern. innerhalb gewisser
Grenzen bestimmte Erwartungen weiterer Inhalte wecken.
Insofern uns nämlich ein solcher Inhalt bisher nur in be-
stimmten Successionen entgegengetreten ist, werden uns als
bekannte Begriffe von Complexen, denen wir den neuen Ein-
1) Die Erwartung ist ein „intentionales‘‘ Erlebnis im früher (S. 218,
Fußnote) bezeichneten Sinne — aber, wie man sieht, kein primäres, son-
dern ein von der Erinnerung hergeleitetes und in seiner intentionalen
Bedeutung durch diese bestimmtes.
ÖOorzelius, Einleitung in die Philosophie, 9. Aufl.
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