Full text: Einleitung in die Philosophie

Die geometrische Form. 967 
dogmatischen Festhalten an atomistisch-psychologischer Be- 
trachtungsweise. 
Wir wollen, um uns über die Beschaffenheit der in Rede 
stehenden Begriffe näher zu orientieren, zunächst einige einfache 
Beispiele derselben betrachten. 
Beschränken wir uns erstlich auf die Betrachtung der 
geometrischen Form eines Gegenstandes, so zeigt sich vor 
allem, daß diese Form überhaupt niemals als Inhalt unserer 
Wahrnehmung existiert. Denn niemals können wir ja die 
Gesamtform eines Körpers in einer einheitlichen Gesichtswahr- 
nehmung (und im Allgemeinen auch nicht in einem Aete der 
Tastwahrnehmung) erkennen: was sich unserem Auge darbietet, 
ist stets nur das von einer Seite her gesehene zweidimensionale 
Wahrnehmungsbild, in welchem sich, wie wir bereits früher 
fanden, unserer unmittelbaren Wahrnehmung niemals ein 
Hintereinander, sondern stets nur ein Nebeneinander ver- 
schieden schattierter Farbflächen zeigt. Dieses Wahrnehmungs- 
bild ist mit jeder Änderung unserer Augenstellung und mit 
jeder Änderung der Beleuchtung des Gegenstandes veränderlich: 
von diesem Bilde also können wir keine dauernde Existenz 
aussagen — es ist nur vergängliche Erscheinung unserer sinn- 
lichen Wahrnehmung. Von der beharrlichen geometrischen Form 
des Körpers dagegen erhalten wir zwar nicht in einer dieser 
seiner Erscheinungen Kunde, auch nicht in der bloßen Summe 
der verschiedenen Erscheinungen, die er uns von verschiedenen 
Seiten darbietet; wohl aber in der Art des Zusammen- 
hanges dieser verschiedenen Erscheinungen, die ja bei der Be- 
wegung unseres Auges um den Gegenstand nicht in regellosem 
Wechsel auf einander folgen, sondern in bestimmter gesetz- 
mäßiger Ordnung. Die Erkenntnis dieser Ordnung ist es, die 
wir in dem Begriff jener constanten geometrischen Form des 
Körpers — der „Daseinsform“ desselben -— zusammenfassen. 
Eben diese Ordnung aber ist von unserer augenblicklichen 
Wahrnehmung irgend einer der wechselnden „Erscheinungs- 
formen“ des Körpers nicht abhängig; sie bleibt bestehen, gleich. 
viel von welcher Seite ich den Körper betrachte und ob ich 
ihn überhaupt betrachte, Wir müssen daher folgerichtig dem 
Di 
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