Primäre und secundäre Qualitäten. 269
Farbe des Dinges ein, der eben hierdurch als ein Begriff
der zweiten Kategorie charakterisiert wird. Wir sprechen
von einem Dinge, welches „wirklich“ constante Farbe besitzt
und uns nur bei verschiedener Beleuchtung verschieden gefärbt
„erscheint“. Indem wir uns dieses Ausdruckes bedienen und
constatioren, daß das Blatt zwar grün ist, ‚aber bei Nacht
nicht grün aussieht, geben wir unzweideutig zu erkennen,
daß wir mit der grünen Farbe nicht mehr den Wahrnehmungs-
begriff „grün“ meinen. Was wir aber alsdann mit jener Be-
hauptung der constanten Farbe auf Grund der genannten KEr-
fahrungen einzig meinen können, ist die Gesetzmäßigkeit
für die farbige Erscheinung des Dinges, gemäß welcher uns
dieselbe bei gleicher Beleuchtung gleich, bei bestimmten
Änderungen derselben in bestimmter Weise wechselnd entgegen-
tritt. Die Behauptung, daß ein Ding diese oder jene beharr-
liche Farbe besitze, vnabhängig davon, ob und unter welchen
Bedingungen wir es wahrnehmen, ist also genau ebenso wie
die Behauptung: der beharrlichen geometrischen Form des
Dinges nur eine Augabe über einen bestimmten gesetzmäßigen
Zusammenhang, welchem wir unsere Erfahrungen einordnen.
Die beiden besprochenen Beispiele zeigen zugleich die
empirische Bedeutung des Unterschiedes der primären und
secundären Qualitäten im Sipne Lockes: die primäre,
d.h. die dauernde, dem Objecte als solchem unabhängig von
unserer Wahrnehmung anhaftende Eigenschaft ist nichts als
der constante gesetzmäßige Zusammenhang der secun-
dären, nur der sinnlichen Erscheinung als solcher
zukommenden Qualitäten.
Haben wir aber in den einzelnen beharrlichen Kigen-
schaften des Dinges nichts Anderes vor uns, als bestimmte
gesetzmäßige Zusammenhänge von Erscheinungen unserer sinn-
lichen Wahrnehmung, 30 muß das (Heiche auch für den Begriff
des beharrlichen Dinges selbst gelten, der ja nur durch
jene Eigenschaften seine Bestimmung erhält. Auch das Ding
ist seinem Begriffe nach identisch mit einem gesetzmäßigen
Zusammenhange unserer Wahrnehmungen: wie in der einzelnen
constanten Eigenschaft des Gegenstandes ein Teil dieser Wahr-