1J 8 2. Philosophische Probleme.
einzelnen Fällen gemachten Erfahrung der Beunruhigung durch
solchen Mangel die Wertschätzung der Klarheit als
solcher und um ihrer selbst willen hervorgeht.
Wo diese Wertschätzung der Klarheit und das darauf ge-
gründete Streben nach endgültiger Klarheit auftritt, erweisen
sich jedesmal die überlieferten Erklärungen der Tatsachen und
die conventionellen Normen des Handelns als ungenügend. In
und hinter diesem hergebrachten Erkenntnisbesitz erstehen dem
Denken neue Probleme, welche %ben diesen Besitz zu einem
beunruhigenden, fragwürdigen, minderwertigen stempeln.
Das Ziel, auf dessen Erreichung sich das philosophische
Denken zunächst richtet, ist die Lösung dieser Beunruhi-
gung: die Begründung eines neuen Erkenntnisbesitzes, der
jene Probleme beseitigt und den Anforderungen des Klarheits-
bedürfnisses in jeder Hinsicht gerecht wird.
Die Richtung des philosophischen Denkens bestimmt sich
somit überall zunächst durch die Mängel, die sich an dem
jeweils gegebenen KErkenntnisbesitz in erster Linie fühlbar
machen.
Derjenige‘ Mangel, welcher au dem überkommenen WOor-
wissenschaftlichen Erkenntnisbesitz überall in erster Linie und
für das naive Denken am empfindlichsten hervorfritt, ist der
Mangel an Einheit und Zusammenhang der Erkenntnis.
Wir erhalten keine endgültige Befriedigung durch solche KEr-
klärungen, die nur über diesen oder jenen Teil des Welt-
ganzen Klarbeit verbreiten. Es sind keineswegs etwa bloß
die Lücken des Umfanges unserer Kenntnisse, die uns
hier beunruhigen. Vielmehr verlangt schon die Mehrzahl!
verschiedenartiger Erklärungen für verschiedene Erscheinungs-
gebiete ihrerseits eine Erklärung: wir fordern einen einheit-
lichen Gesichtspunkt, von dem sich die Gesamtheit der
Erscheinungen überschauen und verstehen läßt.
Die Tatsache, daß wir uns durch jede Mannigfaltigkeit
verschiedener Erklärungsprineipien beunruhigt, dagegen durch
jede Vereinheitlichung der Erklärung befriedigt fühlen, 1äßt
sich am deutlichsten ira Gebiete der Specialwissenschaften auf-
zeigen. Der Fortschritt der wissenschaftlichen Erklärung der
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