Full text: Einleitung in die Philosophie

Aligemeingültigkeit der Naturgesetze. 3053 
indem es seine Stelle in dem begrifflich geordneten Ganzen 
unserer Erfahrung erhält.*) 
Auch da, wo es uns zunächst nicht gelingt, die bezeichnete 
Forderung zu befriedigen, geben wir derselben doch dadurch 
Ausdruck, daß wir von einer noch unbekannten Ursache 
der Erscheinungen sprechen: das flüssige Chloral polymerisiert 
sich „aus unbekannten Ursachen“ zu einem festen Körper. Wir 
geben mit dieser Formulierung zugleich die Überzeugung zu 
erkennen, daß es uns einst gelingen werde, den empirischen 
Zusammenhang aufzufinden, als dessen Glied die beobachtete 
Änderung sich darstellt. 
Man sieht, daß unsere Begriffe der Gegenstände, in welche 
wir die bisherigen Erfahrungen über diese Gegenstände zu- 
sammenfassen, durch neue Erfahrungen über die Änderung ihrer 
Eigenschaften nicht etwa ihre Gültigkeit verlieren, sondern 
daß sie vielmehr durch diese Erfahrungen bereichert werden. 
Die Allgemeingültigkeit unserer Urteile über die einmal 
beobachteten Eigenschaften der Gegenstände aber erhält durch 
das gewonnene Ergebnis ihre beschränkende Bestimmung: wir 
dürfen von jeder Eigenschaft constantes Dasein so weit, aber 
auch nur so weit voraussetzen, als nicht irgend eine (bisher 
noch nicht wirksame) Ursache eine Änderung dieser Eigen- 
schaft verschuldet. 
Für die empirischen Naturgesetze, unter welche wir in 
solcher Weise unsere Erfahrungen einordnen, gilt naturgemäß 
das Gleiche wie für die Begriffe der Gegenstände. Auch diese 
Gesetze sind uns ja nur durch Induction bekannt: auch für 
sie wiederholt sich daher die Frage, mit welchem Kechte wir 
sie als allgemeingültig formulieren. Und wiederum ergibt sich 
1) Wer bei der im Texte gegebenen Ableitung des Causalgesetzes 
daran Anstoß nehmen sollte, daß diese Ableitung sich des Begriffes der 
Bedingung bedient, möge sich erinnern, daß dieser Begriff bei der 
Untersuchung des Bildungsmechanismus unserer Erfahrungsbegriffe seine 
Erklärung aus rein psychischen Daten gefunden hat. Daß wir diese 
Bedingungen auch in Form von Aussagen über Erfahrungsbegriffe for- 
mulieren, bedarf nach der Analyse dieser Begriffe keiner Rechtfertigung, 
ist vielmehr die selbstrerständliche Folge der Entwicklung dieser Begriffe,
	        
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