Full text: Einleitung in die Philosophie

Unbemerkto Gedächtnisbilder, 309 
Lebens unter einander verknüpft werden; es bleibt uns hier nur 
übrig, den Mechanismus dieser Verknüpfung näher nachzuweisen. 
In erster Linie sind es die Phänomene der Erinnerung, 
die zu einer Begriffsbildung dieser Art führen. Schon das 
naive Bewußtsein kennt, wie wir sahen, den Begriff dessen, 
was wir „im Gedächtnisse haben“, obwohl wir uns im Augen- 
blick diesen Besitz nicht im Einzelnen vergegenwärtigen: wir 
sprechen davon, daß wir ein Gedicht auswendig wissen oder 
daß wir eine fremde Sprache beherrschen, auch ohne daß wir 
uns im Augenblick aller Tatsachen ‚wirklich erinnern ‚ welche 
wir hier als unseren geistigen Besitz bezeichnen. Was wir mit 
solchen Ausdrücken meinen, ist also nicht dieses oder jenes 
einzelne Erinnerungsphänemen, sondern eine Beschaffenheit 
unserer Persönlichkeit, welche unabhängig von dem Auftreten 
der entsprechenden einzelnen Erinnernngsphänomeune besteht und 
nur in diesen Phänomenen zum Ausdrucke kommt, so oft wir 
wollen oder so oft wir unwillkürlich zu Erinnerungen der be- 
treffenden Art veranlaßt werden. 
Um die wissenschaftliche Bestimmung dieser Begriffsbildung 
zu gewinnen, deren Analogie mit dem Gegenstandsbegriff 
schon hier deutlich zu Taye tritt, brauchen wir nur die eben 
bezeichneten Tatbestände genauer zu analysieren. Wir beziehen 
uns dabei auf ein einfaches coneretes Beispiel, 
Wenn wir etwa den Melodieschritt c hören, so sind 
im Augenblicke, in welchem a erklingt, zwei verschiedene 
Fälle der „Nachwirkung des eben gehörten Tones c in unserem 
Gedächtnisse“ möglich. Entweder nämlich unterscheiden wir 
ausdrücklich das Erinnerungsbild des Tones c neben dem neu- 
gehörten Tone a; oder aber wir unterscheiden dieses Erinnerungs- 
bild nicht, d.h. es drängt sich uns nicht neben dem neuen 
Tone die Erinnerung an den zuvor gehörten Ton ausdrücklich 
auf. Dennoch ist auch in diesem zweiten Falle eine Nach- 
wirkung des vergangener Tones stets insofern zu constatieren, 
als die früher erwähnte „Färbung“ des neuen Tones durch die 
Nachwirkung des vorhergehenden bestimmt ist: a nach € „klingt 
anders“, „macht einer anderen Eindruck“ als a nach d oder 
nach f u. 8. w. Wir verknüpfen beide Fälle durch die Behauptung,
	        
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