Leib und Seeie. 317
gleich wir tatsächlich in jeder Wahrnehmung, die wir einem
unserer Sinnesorgane verdanken, zugleich eine Krscheinungs-
weise dieses Organes selbst vor uns heben.*)
Andererseits genügt nicht das bloße Dasein des nervösen
Apparates für das Auftreten der entsprechenden Empfindungen:
vielmehr ist für dieses Auftreten stets eine notwendige Be-
dingung die, daß bestimmte anderweitige Vorgänge — die
Reizvorgänge*) — auf unser Nervensystem wirken und das-
selbe. in die Erregung versetzen, welche den betreffenden Emp-
findungen entspricht. Man beachte, daß auch mit dieser Be-
hauptung nichts Anderes ausgesagt ist, als daß die Dinge
zusammen mit den entsprecLenden Teilen unseres Nerven-
systems die Erscheinungen unserer sinnlichen Wahrnehmung
bedingen, oder, was dasselbe sagi, daß diese Erscheinungen ın
bestimmten physischen Zusammenhängen stehen, welchen eben
auch die betreffenden Vorgänge im Nervensystem angehören.
Die Tatsache, daß jede Empfindung eines bestimmten
Sinnesgebietes durch die Erregung der entsprechenden Teile
unserer Nervensystems mitbedingt ist, pflegt man auch in der
Form auszudrücken, daß man die Erregung dieser nervösen
Organe als die Bedingung bezeichnet, von welcher die Emp-
findung unmittelbar abhänge.. Verbindet man aber mit
dieser Behauptung, wie es vielfach geschieht, den Sinn, „daß
unsere Wahrnehmungen nur von den Vorgängen im Nerven-
system abhängen und völlig unverändert bleiben würden, wenn
auch die gesamte Außenwelt wegfiele und nur eben
die nervösen Processe dieselben hlieben“ — so verg\ßt
man, was der Begriff der Außenwelt bedeutet. Sobald mn
bedenkt, daß die gesamte Welt der Dinge (einschließlich un-
seres Nervensystems) mit dem gesetzmäßigen Zusammenhauge
1) Wie wir auch regelmäßig nur von der Wahrnehmung der Dinge
und nicht von derjenigen der davor befindlichen Luftschisht uen;
obwohl die lotztere siets in bestimmter Weise mitwahrgencwmrase wird,
2) Der Begriff des Reizes ist nichts als der physische Zuzamt en.
hang, welchem die durch den Reiz ausgelöste Empfindung eingeordn:.
wird; wobei stets, wenn vom Reiz im Gegensaßze zu dieser ümpän-
dung gesprochen wird, eben von derjenigen Erscheinung des genannten
physischen Zussmmenhanges abgesehen wird, die in dieser Empfindung
gelbst gegeben ist.