Full text: Einleitung in die Philosophie

345 8 32. Das empiristische Weltbild. 
Stande, weil die Werkzeuge ihrer Erklärungen — die Kate- 
gorien — von vornherein ihrem Sınne nach nur auf die Be- 
standteile unserer Erfahrung. Anwendung finden können, 
nicht aber auf das jenseits der Erfahrungsgrenzen gelegene 
„Ganze“. Wer sich der oben wiedergegebenen Lösung der 
Antinomien erinnert, welche die bloß relative Geltung aller 
geometrischen, mechanischen und causalen Bestimmungen zeigt, 
sicht unmittelbar den Grund dieser Beschränkung. Innerhalb 
der Grenzen möglicher Erfahrung, auf die diese Begriffebildungen 
allein Anwendung finden, gibt es eben nur Teile, aber niemals 
jenes Ganze. 
Nur eine wissenschaftliche Erkenntnis haben wir ge- 
wonnen, welche über alle Bestimmung der Teile hinausgeht: 
die Erkenntnis eben jener fundamentalen Tatsachen der 
Einheit unseres Bewußtseins. Im Gegensatz zur Bedingt- 
heit aller anderen Gegenstände wissenschaftlicher Bestimmung 
sind sie das Unbedingte, — das, wie wir ausführlich gesehen 
haben, die Quelle alier Bedingtheit ist; im Gegensatz zu allen 
Teilen, die unserer Erfahrung jemals begegnen können, ist die 
Einheit unseres Bewußtseins oder unsere „Persönlichkeit“ ein 
Ganzes. Dieses Ganze zu denken ist in der Tat eine Forde- 
rung, die keine Antinomie in sich schließt. Nur die unbe- 
grenzte. Gesamtheit der Teile vollendet zu denken, würde eine 
solche Antinomie bedingen. Aber das Ganze unseres Bewußt- 
geins ist uns von vornherein nicht in Form einer solchen 
Mannigfaltigkeit, sondern unmittelbar als HKinheit gegeben. 
Denn nur vermöge der Unterscheidungen und Deutungen mit- 
tels der Kategorien wird der Bewußtseinszustand zur Erkenntnis 
einer Vielheit von Teilen; rein phänomenologisch, d.h. ohne 
alle kategoriale Beurteilung und Deutung betrachtet ist er 
Eins — der „Gefühlszustand“, in welchem wir leben. | 
Allein auch mit dem Hinweis auf dieses Ganze ist die 
metaphysische Forderung noch keineswegs befriedigt. Vielmehr 
gibt die unvermeidliche kategoriale Bestimmung jedes Bewußtseins- 
zustandes dieser Forderung in doppelter Hinsicht neue Nahrang. 
Erstlich nämlich wird jeder gegebene, auch noch so weit 
ausgedehnte Bewußtseinsverlauf, sobald er als endlich und 
somit als zeitlich begrenzt gedacht wird, eben dadurch zum 
ÜF
	        
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