Full text: Einleitung in die Philosophie

Und $ 33. Der Wertbegriff und die praktischen Normen. 
Sociale Werte. 
Soweit wir nicht als vollkommene Einsiedler, abgeschlossen 
von aller Wechselwirkung mit anderen menschlichen Individuen 
leben.*), gehören zu den Bedingungen unseres eigenen Han- 
delns stets die -— wirklichen oder zu gewärtigenden — Hand- 
lungen unserer Mitmenschen. Diese Handlungen können 
mit den unsrigen zur Schaffung und Erhaltung von Werten 
zusammenwirken oder aber unseren hierauf gerichteten Be- 
strebungen entgegenwirken. 
Durch jenes Zusammenwirken können Werte geschaffen 
werden, die für die Arbeit des Einzelnen unerreichbar sind, 
entweder weil sie seine Kräfte übersteigen — man denke an 
das gemeinsame Heben einer Last oder an den Druck dieses 
Buches — oder aber weil die fraglichen Werte gerade in den 
gegenseitigen Beziehungen der Individuen liegen — wie z. B. 
in der Ehe. 
Andererseits können durch die entgegengerichteten Hand- 
lungen Anderer die Bedingungen unserer Wertbestrebungen der- 
artig erschwert werden, daß diese Bestrebungen schließlich illu- 
sorisch werden und somit der Wert unseres Lebens mehr und 
mehr herabgemindert wird. (Das Extrem solcher Lebensent- 
wertung ist die Skaverei in ihrer nicht durch Cultur gemilderten 
Form.) 
Werte, deren Schaffung oder Fortbestand durch das Ver- 
halten einer Mehrheit von Individuen bedingt ist und 
welche nicht nur für Eines oder für eine beschränkte 
Zahl dieser selben Individuen, sondern für Jedes der- 
selben als Werte zu beurteilen sind, will ich sociale 
Werte dieser Mehrheit nennen. 
Auch für diese Werte gilt das früher allgemein Gesagte, 
daß nämlich ein Wert für ein Individaum bestehen kann, 
d.h. objectiv als Wert für dasselbe zu beurteilen ist, ohne daß 
dieses Individuum selbst ein solches Urteil fällt, d. h. ohne daß 
es das Bestehen dieses. Wertes erkennt. So ist z. B. ein den 
1) Ob ein solcher Zustand heute noch als möglich zu denken. ist, 
soll hier nicht erörtert werden.
	        
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