Full text: Einleitung in die Philosophie

Das Recht und der Staat. 369 
hat, Jeden zur Erfüllung derjenigen socialen Verpflichtungen 
(ev. durch Zwangsmaßregeln) anzuhalten, ohne welche die 
Friedensgemeinschaft nicht bestehen kann. Hieraus aber folgt 
sogleich, daß, soweit die Mittel aes Staates zur Erfüllung 
dieser ersten Forderung reichen, auch alle weiteren positiven 
Rechtsbestimmungen nur von‘ ihm ausgehen und nur durch 
ihn geschützt werden können; denn jede solche Bestimmung 
ist ıhrer Natur nach nur eine nähere Bestimmung jener ersten 
Function des Staates, d. h. eine nähere Bestimmung dafür, 
wie die Friedensgemeinschaft in besonderen Fällen zu erhalten 
oder ev. wiederherzustellen ist. Alle positiven Kechtsbe- 
stimmungen müssen daher zusammen zu einer einheitlichen 
staatlichen Rechtsordnung gehören. 
Gemäß der früheren Definition ist vom Staatswillen als 
dem auf die Erfüllung dieser Rechtsordnung gerichteten Willen 
zu reden. 
Die Mittel des Staates zur Aufrechterhaltung seiner Rechts: 
ordnung -— die „Machtmittel“ des Staates — werden regel- 
mäßig räumlichen Beschränkungen unterliegen: nur soweiß 
seine Machtmittel reichen, ist die Friedensgemeinschaft des 
Staates garantiert. Der Staat ist also stets räumlich bestimmt: 
er besitzt ein Territorium oder Staatsgebiet -— das übrigens 
ev., wie z. B. bei einem wandernden Stantewesen, keine 
festen Grenzen zu besitzen braucht. Nur innerhalb dieses 
Gebietes galt die obige Bestimmung, daß der Staat Jeden zur 
Erfüllung der durch seine Rechtsordnung näher bestimmten 
sociajen Verpflichtungen anhalten kann. 
Vermöge der Rechtsordnung erhält — im Allgemeinen — 
jedes Individuum und ebenso jede Genossenschaft innerhalb 
des Staates die rechtlich geschützte Befugnis, innerhalb der 
von der Rechtsordnung gezogenen Grenzen autonom Werte zu 
schaffen. Andererseits erhält ebenso jedes Individuum und 
jede Genossenschaft innerhalb des Staates die durch die Reehts- 
ordnung näher bestimmten rechtlich geschützten soclalen Auy- 
sprüche an die übrigen innerhalb des Staates befindlichen 
Individuen und Genossenschaften einschließlich des Staates 
selbst, 
Öornelius, Einleitung in die Philosophie. 2%. Aufl. 
MW 
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