Full text: Einleitung in die Philosophie

Der Stil des Lebens. / 
hat. Wie wenige nur dringen zu der Höhe, die dem Auge 
freien Ausblick gewährt und die nichtigen Ziele unserer AN- 
täglichkeit in dämmernder Ferne auflöst! Die Andern alle 
verlieren sich in unwegsame Wüste, weil sie den/Nebel der 
überkommenen unklaren Begriffe nicht zu durchdringen und 
doch auch zu der alten Heimat den Weg nicht zurückzufinden 
vermögen. Im vergeblichen Suchen nach Wahrheit verzehrt 
sich ihre Kraft, verlieren sie den festen Boden des Handelns 
unter ihren Füßen. 
Nicht in der Erkenntnis der Wahrheit, sondern in der 
harmonischen Gestaltung unserer Persönlichkeit, — nicht im 
Denken, sondern in der einheitlichen Tätigkeit haben wir 
das Ziel unseres Lebens erkannt. Nur für den, der sein Leben 
der wissenschaftlichen Forschung weiht, liegt im Erkennen der 
Löchste Wert, weil die Gestaltung seiner inneren Welt sich 
nur im Streben nach der Erkenntnis vollzieht. Mit Unrecht 
ist dieser Wertschätzung der Erkenntnis in Folge unserer ein- 
seitig wissenschaftlichen Erziehung das Ansehen einer allgemein 
verbindlicher. Norm zu Teil geworden. Nicht unser Wissen, 
sondern unser Leben zu einem Kunstwerke zu gestalten ist 
die allgemein menschliche Aufgabe. Uns unsere innere Welt 
zu schaffen unabhängig von. allem Nichtigen des Tages, unser 
Fühlen und Wollen so zu erziehen, daß unser ganzes Leben wie 
ein wohlgestimmtes Saitenspiel von selbst die rechte Antwort 
gibt auf jeden Ton, der unsere Seele berührt — zu werden; 
was wir sind, ‚wie Pindar uns zuruft -— das allein. gibt 
nns dauernde Befriedigung. 
Zu dieser Arbeit unserer Selbsterziehung aber muß in 
den Jahren, welche der Selbsterziehung vorausgehen, durch die 
Erziehung der Grund in uns gelegt werden. Solange unsere 
eigenen Erfahrungen noch nicht hinreichen, um die Ziele zu 
erkennen, die sich nach der Lage unserer äußeren und inneren 
Verhältnisse als die wertvollsten Ziele unserer Entwicklung 
ergeben, muß von Seiten unserer Umgebung dafür gesorgt 
werden, daß wir für die Lösung jener späteren Aufgabe die 
geeignete Vorbereitung erhalten. Daß wir durch unsere 
Erziehung befähigt werden, den Weg zu einem inner- 
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