Full text: Einleitung in die Philosophie

Wertunterschied der Erklärungen. 37 
uns gezeigt, daß es Körper gibt, deren. Bewegungen durch 
dieses Gesetz geregelt sind; wir drücken alle Higenschaften 
der Bewegungen dieser Körper mit jener allgemeinen Formel 
zusammenfassend aus: die Bewegungen jedes Körpers, der zu 
dieser Klasse — zu den „gravitirenden“ Körpern — gehört, 
folgen diesem Gesetz. Die Erklärung, die das Newtonsche 
Gesetz uns gibt, besteht also in der Zusammenfassung ge- 
machter Erfahrungen durch einen einfachen Ausdruck, der die 
charakteristischen Merkmale dieser Erfahrungen in ihrer Gesamt- 
heit wiedergibt. Diese Erklärung als solche enthält keine 
weiteren, der Erfahrung fremden Bestandteile: sie fügt unserem 
Wissen von den Erscheinungen keinerlei bloße Vermutung 
über die letzteren hinzu. Sie hat eben darum Anspruch auf 
den Namen einer rein wissenschaftlichen, d. h. nur auf tat- 
sächliches Wissen gestützten Krklärung. 
Ganz anders in dem zuvor betrachteten Falle der anthro- 
pomorphen mythologischen Erklärung. Hier ist das, 
wodurch die Erklärung zu Stande kommt, wodurch jene ver- 
einfachende Zusammenfassung des Ungewohnten mit dem Ge- 
wohnten gelingt, nicht wissenschaftliche Erkenntnis, sondern 
freie Dichtung der Phantasie. Die zu erklärenden Erschei- 
nungen sind freilich hier wie dort Erfahrungstatsachen: allein 
die Art, wie deren Erklärung gewonnen wird, ist in beiden 
Fällen wesentlich verschieden. Die Verknüpfung der Tatsachen, 
die Einordnung des Ungewohnten in bekannte Zusammenhänge, 
die sich in der wissenschaftlichen Erklärung einzig auf die be- 
obachteten Eigentümlichkeiten der KErscheinungen gründete, 
kommt ‚hier durch eine bloße Annahme zu Stande, deren Be- 
rechtigung durch keimerlei Erfahrungsdaten ‚gewährleistet wird 
— zu deren Bestätigung keinerlei Beobachtungen aufgezeigt 
werden können. Im Gegensatz zu jenem Beispiel wissenschaft- 
licher Erklärung haben wir es also hier mit einer unwissen- 
schaftlichen Erklärung zu tun, d. h. mit einer solchen, die 
den Boden unseres tatsächlichen Wissens verläßt. 
Der Gegensatz beider Arten von Erklärung läßt sich noch 
in anderer Weise auf einen consequenten Ausdruck bringen. 
Die wissenschaftliche Erklärung bleibt innerhalb der Grenzen
	        
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