b4 8 6. Die Entwicklung der Philosophie.
sophie müssen sonach in einer allgemeinen Werttheorie
ihre Begründung finden. -
Erkennen wir hiermit einerseits die Lösung der praktischen
Fragen als bedingt durch eine Begriffsanalyse und somit
als Specialfall der theoretischen Philosophie, so erweist sich
andererseits das theoretische Streben selbst als abhängig von
einem Werturteil, dessen Berechtigung ein consequentes
Klarheitsstreben nicht ohne Prüfung anerkennen darf, . das
also mit Notwendigkeit zur praktischen Fragestellung führt.
Schon vor jeder speciellen erkenntnistheoretischen Voraus-
setzung liegt eine Voraussetzung aller Betätigung wissenschaft-
lichen Strebens stillschweigend zu Grunde: die Voraussetzung,
daß das Ziel dieses Strebens für uns ein wertvolles sei. Je
tiefer und schwieriger die wissenschaftliche Untersuchung sich
gestaltet, je größere Anforderungen sie an unsere Ausdauer
stellt, um so mehr müssen wir von ihrem Werte überzeugt
sein, um uns nicht durch scheinbar unüberwindliche Schwierig-
keiten und fortgesetzte Mißerfolge abschrecken zu lassen. Das
philosophische Denken kann auch diese Voraussetzung des
Wertes der Erkenntnis auf die Dauer nicht dogmatisch
hinnehmen. Der Philosoph kann sich der Aufgabe nicht ent-
ziehen, die Berechtigung dieser Voraussetzung zu untersuchen,
die Gründe zu erforschen, die uns zu solcher Wertschätzung
der Erkenntnis veranlassen. Die Lösung dieser Aufgabe aber
kann nicht anders in endgültig befriedigender Weise gewonnen
werden, als durch die Analyse der Tatsachen, die aller Wert-
schätzung zu Grunde liegen, d. h. eben durch die erkenntnis-
theoretische Begründung einer allgemeinen Werttheorie.
Wir sehen’ also, daß die Frage, in welche alle praktischen
Probleme münden, dem consequenten Klarheitsstreben mit
Notwendigkeit entgegentritt, gleichviel von welcher Seite her
dasselbe seinen Ausgang nimmt. Die praktische Philosophie
erscheint auf Grund dieses Ergebnisses nicht mehr als ein aus
gesonderter Wurzel entsprossenes Anhängsel, sondern als inte-
grierender Bestandteil der theoretischen Philosophie — als eine
der notwendigen letzten Aufgaben des streng folgerichtigen
Denkens.
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