Full text: Einleitung in die Philosophie

> $ 8. Ding und Erscheinung. 
der zwischen den unmittelbaren Daten unserer Wahr- 
nehmung und der Beziehung dieser unserer Erfahrungen auf 
ein unabhängig von unserer Wahrnehmung beharren- 
des, objectives oder reales Sein zu Tage tritt. 
. Ich will zunächst versuchen, diesen Gegensatz an einem 
Beispiele aufzuzeigen. 
Wenn wir einen Gegenstand unseres täglichen Gebrauches, 
etwa eine Kupfermünze ins Auge fassen, so ist dasjenige, 
was von diesem Gegenstande im betreffenden Augenblick unserer 
Erkenntnis unmittelbar entgegentritt, einzig und allein das 
augenblickliche sinnliche Wahrnehmungsbild, welches wir 
von dem Gegenstande erhalten. Wir unterscheiden in unserem 
Gesichtsfeld ein bestimmt begrenztes Bild von kupferroter 
Farbe, welches wir als „die Kupfermünze“ sofort erkennen 
und ev. benennen — welches uns aber durchaus nicht un- 
mittelbar über die weiteren Eigenschaften der Kupfermünze, 
wie z. B. über ihre Form im Raume (zum mindesten nicht 
über ihre Rückseite), über ihr Gewicht, über ihre chemischen 
Eigenschaften u. s. w. Aufschluß gibt. 
Wir können von der Kupfermünze verschiedene solche 
Wahrnehmungsbilder erhalten, indem wir unsere Stellung ver- 
ändern oder die Münze drehen; wir berühren sie mit der Hand 
und erhalten so eine neue Wahrnehmung der Kupfermünze, 
eine „Tastwahrnehmung“. 
Alle diese Wahrnehmungen bezeichnen wir als Wahr- 
nehmungen der Kupfermünze. Aber keine von ihnen gibt uns 
doch tatsächlich die Kupfermünze, keine von ihnen ist die 
Kupfermünze. Denn erstlich geben uns diese Wahrnehmungen 
jedesmal nur eine oder die andere Art der augenblicklichen 
sinnlichen Erscheinung der Münze von dieser oder jener 
Seite, niemals aber die Gesamtheit ihrer Eigenschaften. 
Andererseits sind jene Wahrnehmungen vergäunglich und je 
nach dem Wechsel unseres Standpunktes und der Beleuchtung 
veränderlich. Die Kupfermünze aber ist nicht identisch 
mit dem einen oder dem anderen jener Erscheinungsbilder; 
und ebenso meinen wir mit voller Bestimmtheit zu wissen, 
daß sie nicht zugleich mit dem Wechsel jener Wahrnehmungen 
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