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früher bemerkt, dem natürlichen Verlauf unseres Denkens
völlig ferne.
Auch hier soll diese Frage für den Augenblick noch nicht
gestellt werden. Es kam für das Folgende zunächst nur darauf
an, den Gegensatz zwischen unseren uns unmittelbar bekaunter
Wahrnehmungen der Dinge, den subjectiven sinnlichen Er.
scheinungen mit ihrer flüchtigen Existenz — und den objec-
tiven physischen Dingen mit. ihrer von: unserer W. ahrnehmung
unabhängigen und insofern beharrlichen Exıstenz hervorzu-
heben und festzulegen, wie wir diesen Gegensatz in unserem
entwickelten Leben vorfindeun.
$ 9. Die Phasen der dogmatischen Philosophie.
a) Monistisch-materialistische Phase.
Wir sind an den Gebrauch des Begriffs objectiv existie-
render Dinge so‘ sehr gewöhnt, daß wir alle unsere Wahr-
nehmungen sogleich auf solche Dinge zu beziehen, sie unter
diese Kategorie einzuordnen bestrebt sind. Regeimäßig gehen
daher unsere Urteile zunächst nicht auf die Eigenschaften
unserer jeweiligen Wahrnehmungen als solcher, sondern auf
Eigenschaften der objectiven Dinge.
Beispiele für diese Tatsache sind nicht schwer zu finden.
Die Größe unserer Wahrnohmungsbilder der Gegenstände —-
die „scheinbare Größe“ der letzteren — nimmt bekanntlich
mit der zunehmenden Entfernung der Gegeustände von unserem
Auge mehr und mehr ab. Allein für gewöhnlich achten wir
nicht auf diese Änderungen: wir beurteilen z. B. die Menschen
durchaus nicht als kleiner, wenn sie sich um einige Schritte
weiter von uns entfernen. Unser Größenurteil richtet sich eben
nicht auf die Erscheinung, sondern auf den Gegenstand.
Wenn ich einen Kreis auf Papier zeichne, so ist fast bei jeder
Stellung meiner Augen zu diesem .Kreise das Wahrnehmungs-
bild des letzteren nicht kreisförmig, sondern perspektivisch
verkürzt und daher elliptisch. Dennoch beurteilen wir .die
gesehene Figur stets sogleich als die Figur eines Kreises —
Ar
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