Full text: Einleitung in die Philosophie

64 $ 9. Die Phasen der dogmatischen Philosophie. 
früher bemerkt, dem natürlichen Verlauf unseres Denkens 
völlig ferne. 
Auch hier soll diese Frage für den Augenblick noch nicht 
gestellt werden. Es kam für das Folgende zunächst nur darauf 
an, den Gegensatz zwischen unseren uns unmittelbar bekaunter 
Wahrnehmungen der Dinge, den subjectiven sinnlichen Er. 
scheinungen mit ihrer flüchtigen Existenz — und den objec- 
tiven physischen Dingen mit. ihrer von: unserer W. ahrnehmung 
unabhängigen und insofern beharrlichen Exıstenz  hervorzu- 
heben und festzulegen, wie wir diesen Gegensatz in unserem 
entwickelten Leben vorfindeun. 
$ 9. Die Phasen der dogmatischen Philosophie. 
a) Monistisch-materialistische Phase. 
Wir sind an den Gebrauch des Begriffs objectiv existie- 
render Dinge so‘ sehr gewöhnt, daß wir alle unsere Wahr- 
nehmungen sogleich auf solche Dinge zu beziehen, sie unter 
diese Kategorie einzuordnen bestrebt sind. Regeimäßig gehen 
daher unsere Urteile zunächst nicht auf die Eigenschaften 
unserer jeweiligen Wahrnehmungen als solcher, sondern auf 
Eigenschaften der objectiven Dinge. 
Beispiele für diese Tatsache sind nicht schwer zu finden. 
Die Größe unserer Wahrnohmungsbilder der Gegenstände —- 
die „scheinbare Größe“ der letzteren — nimmt bekanntlich 
mit der zunehmenden Entfernung der Gegeustände von unserem 
Auge mehr und mehr ab. Allein für gewöhnlich achten wir 
nicht auf diese Änderungen: wir beurteilen z. B. die Menschen 
durchaus nicht als kleiner, wenn sie sich um einige Schritte 
weiter von uns entfernen. Unser Größenurteil richtet sich eben 
nicht auf die Erscheinung, sondern auf den Gegenstand. 
Wenn ich einen Kreis auf Papier zeichne, so ist fast bei jeder 
Stellung meiner Augen zu diesem .Kreise das Wahrnehmungs- 
bild des letzteren nicht kreisförmig, sondern perspektivisch 
verkürzt und daher elliptisch. Dennoch beurteilen wir .die 
gesehene Figur stets sogleich als die Figur eines Kreises — 
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