Full text: Einleitung in die Philosophie

76_5 10, Die praktischen Probleme in ‚der dogmatischen Philosophie 
S$ 10. Die praktischen Probleme in der dogmatischen 
Philosophie, 
Einem ähnlichen Gegensatz wie auf dem theoretischen 
begegnen wir auch auf dem praktischen Gebiete: wie den 
wechselnden Erscheinungen das beharrliche Sein, so steht den 
rastlos wechselnden, zufälligen Antrieben, die unser Wollen 
durch unser Gefühlsleben, durch die Aussicht auf Lust und Un- 
Iust erhält, die beharrliche gesetzmäßige Bestimmung gegen- 
über, welche das Sollen uns vorschreibt. 
Wir finden diesen Gegersatz beim Beginn wissenschaft- 
lichen Denkens bereits als einen fertig gebildeten vor. Die 
Begriffe des „Guten“, des „moralisch Richtigen“ oder „Pflicht- 
gemäßen“, des „ehrenhaften“, „würdigen Verhaltens“ sind uns, 
wenn auch nicht mit begrifflicher Klarheit in unserem denken- 
den Erkennen gegenwärtig, so doch als Wertmaßstäbhe für die 
Beurteilung anserer Entschlüsse und Handlungen geläufig, Von 
den Bestrebungen, welche der Gedanke an Wohl und Wehe, 
die Hoffnung auf Genuß und die Furcht vor Schmerz in uns 
wachrufen, finden wir uns abgelenkt durch die Achtung, die 
Ehrfurcht vor der Würde jener anderweitigen Normen unseres 
Handelns; und wo wir gegen diese Normen fehlen, gibt sich 
uns unser Verhalten nachträglich durch die „Stimme unseres 
Gewissens“ als ein minderwertiges zu erkennen. 
Ich will die beiden Glieder dieses Gegensatzes mit den 
Namen der eudämonistischen und der timetischen Willens- 
bestimmung bezeichnen. Eudämonistisch sollen hiernach alle 
diejenigen Motive heißen, welche unser Streben durch die Aus! 
sicht auf Wohl cder Wehe bestimmen; timetisch dagegen 
diejenigen, in welchen die Achtung vor einem unseren Ge- 
fühlen übergeordneten Werte als Grund unseres Willens“ 
entscheids auftritt. 
Ob dieser Gegensatz ein innerlich begründeter und unver- 
söhnlicher oder etwa nur ein äußerlicher und scheinbarer ist 
— ob beide Arten von Motiven tatsächlich verschiedenen Ur- 
sprungs sind oder ob etwa völlig consequentes Denken die eine 
Art auf die andere zurückführen kann, soll an dieser Stelle 
noch nicht untersucht werden.
	        
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