EKudämonistische und timetische Motive. (4
Eudämonistische Motive sind der Definition gemäß nicht
nur in der Aussicht auf körperliche Lust und Unlust, son-
dern ebenso in dem Wunsch nach geistigen (+enüssen oder
nach der Befreiung von irgendwelcher psychischen Beunruhi-
gung gegeben. Auch die Abneigung vor jeder dem gewohn-
heitsmäßigen Tun und Lassen entgegengesetzten Anstrengung
— gleichviel ob dieselbe ausdrücklich als solche erkannt und
beurteilt wird —- gehört hierher. Die Werte, auf welche sich
die. timetische Willensbestimmung gründet, sind äußerst
mannigfaltig. Ehrfurcht vor einem „göttlichen Wesen“ oder
einem „göttlichen Willen“, Achtung vor der „Pflicht“, der
„Sitte“, der „Tugend“, der „Ehre“, der „Kultur“ — aber auch
Bewunderung eines überlegenen menschlichen Geistes, Verehrung
eines wissenschaftlichen, künstlerischen, politischen Genius, per-
sönlichen Heldentums oder irgend eines sonstigen Ideals kann
uns zu Entschlüssen bestimmen, die dem eudämonistischen
Princip der Wiliensbestimmung anscheinend entgegengesetzt
sind und uns als die würdigeren im Gegensatze zu den
eudämonistischen erscheinen... Gemeinsam ist all diesen time-
tischen Motiven einerseits cben dieses, daß sie den eudämo-
nistischen übergeordnet erscheinen, d. h. daß wir um ihretwillen
die Rücksicht auf Wohl und Wehe vernachlässigen oder daß
sie uns selbst den Maßstab für die Wertschätzung eudä-
monistischer Ziele abgeben; andererseits aber, daß sie im
Gegensatze zu dera Wechsel der eudämonistischen Bestimmungen
eine von den zufälligen subjectiven Gefühlszuständen unab-
hängige und insofern bekbarrliche Willensrichtung vorschreiben.
; Woher unsere Achtung vor diesen Werten entspringt, mit
anderen Worten, welches die Gründe sind, durch die jene Ideale
einen höheren, dauernden Wert gegenüber dem Wechsel unserer
Gefühlszustände gewinnen, diese Frage pflegen wir in unserem
vorwissenschaftlichen Denken nicht zu stellen. Unser wissen-
schaftliches Klarheitsbedürfnis aber fordert auf diese Frage
eine entscheidende Antwort: das letzte und insofern „philo-
gophische“ Problem der wissenschaftlichen Ethik besteht, wie
bereits die einleitenden Betrachtungen zeigten, eben im der
Frage nach den Prineipien, auf Grund deren wir über die
Berechtigung jener Achtung urteilen können — nach einem