Full text: Erster Band (1. Band)

100 Der Centralverband 1876 — 1201. 
noch unter sich in einem bestimmten natürlichen Verhältniß. Der 
große Mangel, daß die Zölle in vielen Fällen dem Werthe der 
Waaren nicht entsprachen und somit die auf die Herstellung der 
feineren Waaren verwendete vermehrte Arbeit und die gesteigerten 
Herstellungskosten nicht berücksichtigten, war nicht abgestellt worden. 
Der neue Zolltarif war systemlos wie der alte aus willkürlich 
ermäßigten Zollsätzen zusammengewürfelt. 
Preußen hatte in Verfolgung seiner politischen Ziele keinerlei 
Erhebungen für den abzuschließenden Vertrag angestellt. Daher 
war es, trotzdem sehr erfahrene und kenntnißreiche Männer als 
Unterhändler funktionirten, unvermeidlich gewesen, daß die Zoll— 
ermäßigungen vielfach ohne positive Grundlage nach persönlichem 
Gutdünken, nach zufälligen Umständen oder nach einseitigen An— 
gaben bemessen worden waren. 
Die großen Mängel des alten Zollvereinstarifes konnten 
auch bei der infolge des neuen Vereinsvertrages später er— 
forderlichen Feststellung des Tarifes nicht beseitigt werden, weil 
die eingetretene Entfremdung sowie der Widerstreit zwischen 
Schutzzoll und Freihandel, der durch den Vertrag mit Frankreich 
neue Nahrung erhalten hatte, jede objektive und ruhige Erörterung 
verhinderte. Die Vereinsregierungen, in die unverkennbare Noth⸗ 
wendigkeit versetzt, sich der preußischen Forderung zu unterwerfen 
und den Vertrag mit Frankreich nebst den von ihm bedingten 
Aenderungen des Tarifs anzunehmen, fügten sich derselben nur 
widerstrebend und, soweit dies unvermeidlich war. 
Preußen seinerseits war befriedigt, die Krisis glücklich beendet 
zu haben; e unterließ daher, weitere Aenderungen des Tarifes 
in Aussicht zu nehmen, um nicht neue Meinungsverschiedenheiten 
hervorzurufen. 
Ein Theil der Mißstände wurde später wohl durch die nach⸗ 
folgenden Handelsverträge vermindert, allein selbst die in den Jahren 
1868 und 1869 versuchten Tarifrevisionen fußten auf keiner all— 
gemeinen, die gesammte Industrie des Zollvereins umfassenden 
statistischen Grundlage und scheiterten an Fragen, die weder 
allgemeine Interessen betrafen, noch auch mit einer systematischen 
Tarifrevision in nothwendigem Zusammenhange standen. 
Unter den Bestimmungen des Vertrages mit Frankreich ist 
besonders der die Meistbegünstigungsklausel enthaltende Artikel 31 
hervorzuheben; durch ihn war der bisher versuchte allmäh—
	        
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