Erster Abschnitt: Chronik des Centralverbandes. 27
die größten Verdienste um den Bestand und die Entwickelung des
Centralverbandes erworben.“)
Um die Bestrebungen, die nach dem Erlaß des Zollgesetzes vom
7. Juli 1873 und dem eingetretenen wirthschaftlichen Niedergang
in der Industrie mehr und mehr hervortraten, zu verstehen, ist es
nöthig, sich zu vergegenwärtigen, daß die öffentliche Meinung damals
von dem Dogma der Freihandelslehre gänzlich beherrscht wurde.
Diese Lehre verfolgte das uneingeschränkte Walten des freien inter—
nationalen Wettbewerbes als Ziel der endgültigen Regelung der
deutschen Zoll- und Handelsverhältnisse mit dem Auslande. Die
Ansicht, daß das zum Heile des Ganzen sei, wurde nicht nur von
den Männern der Wissenschaft und dem aus den höheren Unter—
richtsanstalten hervorgegangenen Beamtenthum, nicht nur von dem
gesammten Handel, den Vertretern der Landwirthschaft und dem
großen Publikum im allgemeinen, sondern auch von der übergroßen
Mehrzahl der Industriellen und Gewerbetreibenden selbst getheilt.
Der Volkswirthschaftliche Kongreß, in dem sich die Lehren
des Manchesterthums verkörpert hatten, war mit seinen An—
schauungen maßgebend für alle Kreise geworden. Unter Verzicht
auf eigenes Urtheil seiner Leitung folgend, hatte die Masse sich
daran gewöhnt, die durchlebte Periode wirthschaftlicher Prosperität
lediglich als die Folge der Freihandelspolitik zu betrachten. Den
Rückgang der gesammten wirthschaftlichen Thätigkeit, für den that—
sächlich durchaus andere Verhältnisse den Anstoß gegeben hatten,
und der damals noch für eine voraussichtlich schnell vorübergehende
Krisis gehalten wurde, irgendwie mit dem Freihandel in Verbindung
zu bringen, wäre damals ein ketzerischer Gedanke gewesen; denen,
die ihn hegten, wurde durch die Gefahr, sich dem Spott und der
Lächerlichkeit preiszugeben, ängstliches Stillschweigen auferlegt.
Nur sehr wenige wagten es, dieser Macht der öffentlichen
Meinung zu trotzen. Der Gedanke, daß Deutschland mit Rücksicht
auf die natürliche Grundlage seiner wirthschaftlichen Verhältnisse,
ganz abgesehen von den Schwankungen der Konjunktur, dem Ausland
gegenüber eine rationelle Schutzzollpolitik treiben müsse, fand eine
) Die Darlegungen über die Bildung des Vereins Deutscher Eisen—
und Stahl-Industrieller sind der Schrift „Die Nordwestliche Gruppe des
Vereins Deutscher Eisen- und Stahl-Industrieller“ Zirkular Nr. 40 an die
Mitglieder, von H. A. Bueck, Düsseldorf 1879, entnommen.