Full text: Erster Band (1. Band)

Erster Abschnitt: Chronik des Centralverbandes. 185 
des Fürsten Reichskanzlers beschäftigte Geheime Regierungsrath von 
Tiedemann, später Chef der Reichskanzlei, und es war kein 
Geheimniß, daß er den speziellen Auftrag hatte, dem Fürsten Reichs— 
kanzler über den Verlauf der Versammlung zu berichten. 
Als Geheimrath Tiedemann bei dem der Versammlung 
folgenden gemeinschaftlichen Mittagessen in einem Trinkspruch auf 
Friedrich List für die Bestrebungen der Versammlungen sich aus— 
sprach, glaubte man keinen Zweifel weiter hegen zu dürfen, daß 
dieser hohe Beamte, der berufen war, später eine bedeutende 
Wirksamkeit bei der Aufstellung eines autonomen Tarifs zu ent— 
falten, sich in seinen Ansichten nicht von denen des Fürsten Reichs— 
kanzler entferne. 
Der Verlauf dieser Versammlung steigerte die Hoffnungen zur 
Zuversicht, daß die maßgebendsten Kreise der Regierung sich mehr 
und mehr einer Aenderung der Wirthschaftspolitik des Reiches zu— 
neigten, und daß der vom Centralverband aufgenommene Kampf 
kein vergeblicher sein werde. 
Das Jahr 1878 brachte Ereignisse, die für die innere poli— 
tische Entwickelung Deutschlands tief eingreifend und bedeutungsvoll 
waren. Dem ersten Attentat auf den Kaiser folgte die Ablehnung 
des Sozialistengesetzes durch den Reichstag, dem zweiten grauen— 
vollen Attentat am 2. Juni die Auflösung des Reichstages, die 
unter dem 11. Juni vollzogen wurde. Die Neuwahlen zum Reichs— 
tag fanden am 30. Juni statt. Inzwischen hatte sich der Bundes— 
rath entschlossen, eine Enquete über die Lage der Eisen⸗, der 
Baumwoll- und der Leinenindustrie anzustellen. Die Kommission 
trat am 8. und 9 Juli zusammen. Die Arbeiten der Enquete— 
Kommission wurden Anfang Dezember beendet. Der Bericht war 
für Anfang Januar in Aussicht gestellt worden. 
Die in dem neuen Reichstag unter dem Vorsitz des früheren 
württembergischen Staatsministers, Reichstagsabgeordneten von 
Varnbüler gebildete freie wirthschaftliche Vereinigung, der sich 
204 Abgeordnete angeschlossen hatten, lieferte den besten Beweis 
dafür, daß die Neuwahlen eine andere Zusammensetzung des Reichs— 
tages in Bezug auf die Beurtheilung zoll- und handelspolitischer 
Fragen gebracht hatten. 
Der im Oktober erfolgte Briefwechsel zwischen von Varn— 
hüler und dem Fürsten Bismarck bestätigie die Absicht des
	        
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