Full text: Erster Band (1. Band)

Erster Abschnitt: Chronik des Centralverbandes. 255 
denen anzunehmen war, daß sie in diesen Fragen orientirt seien 
und Fühlung mit der Regierung unterhielten. 
Die Erklärung des Direktoriums war den Freihändlern 
außerordentlich unbequem; es richtete sich daher ein Sturm der 
Entrüstung gegen den Centralverband. Besonders von der „Frank— 
furter Zeitung“ wurden die dem Centralverband nicht angehörigen 
industriellen Kreise aufgefordert, Gegenerklärungen zu erlassen, die 
denn auch beispielsweise von dem „Deutschen Brauerbund“ und 
dem „Verein der Destillateure“ in Berlin erfolgten. Komisch war 
bei allen diesen Gegenerklärungen, daß sie sich zunächst mit Ent— 
rüstung gegen den Centralverband wandten, indem sie ihm das 
Recht absprachen, im Namen der Industrie zu reden, dann aber 
selbst ihre Erklärung im Namen der deutschen Industrie abgaben. 
Es ist hier bereits mehrfach hervorgehoben worden, daß der 
Centralverband von seiner Begründung ab von gewissen Seiten 
fortgesetzt scharfe Angriffe zu erleiden hatte. Das Direktorium 
hatte diesem Treiben im allgemeinen keine Bedeutung beigelegt und 
die Angriffe nur wenig beachtet. Die Lage änderte sich aber, 
als etwa vier Wochen nach jener Erklärung, am 3. März, ein 
Artikel im Reichsanzeiger erschien, der direkt gegen den 
Centralverband gerichtet war. In dem Artikel wurde darauf 
hingewiesen, daß, wenn durch die Erklärung der Anschein erweckt 
worden sei, als ob die deutsche Industrie dem Tarifvertrag mit 
Desterreich-Ungarn abgeneigt sei und sich von einem solchen Vortheile 
nicht verspräche, die Jahresberichte der Handelskammern und die 
direkten Forderungen vieler Industriellen gerade das Gegentheil 
bewiesen. Der Artikel verzichtete dann darauf, die Beweggründe 
des Centralverbandes näher zu untersuchen und schloß mit folgenden 
Worten: 
„Wir begnügen uns hervorzuheben, daß die Handelskammern 
die berufensten Vertreterinnen der Gesammtheit aller einzelnen Zweige 
der Gewerbthätigkeit bilden, und daß man sich nach ihren Aeußerungen 
eher ein verläßliches Urtheil über die wahre Auffassung der deutschen 
Industrie wird bilden können als nach jener ganz allgemein ge— 
haltenen Erklärung des Centralverbandes und der ihm verwandten 
Vereine.“ 
Damit war im Reichsanzeiger offiziell die Ansicht der Regierung 
kundgegeben, daß nicht der Centralverband die Industrie vertrete, 
sondern daß diese Vertretung vielmehr in den Handelskammern
	        
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