316 5. A. Bueck. Centralverband Deutscher Industrieller.
Tarifvertrag mit Frankreich abzuschließen oder mindestens den durch
den Krieg aufgehobenen Vertrag vom 2. August 1862 wieder her—
zustellen. Das war jedoch nicht zu erreichen gewesen. Auch in
Frankreich waren die Bestrebungen, den heimischen Markt mehr als
bisher zu schützen, wieder erstarkt. Zudem erachtete die französische
Regierung zur Aufbringung der Kriegsentschädigung, also aus
finanziellen Gründen, die Einführung höherer Zölle für unerläßlich.
Der Widerstand auf französischer Seite war so zähe, daß Bismarck
sich endlich mit der in 811 des Friedensvertrages aufgenommenen
Meistbegünstigung begnügte, die auch nicht einmal vollständig er—
reicht wurde.
Abgesehen von den unbedingt freihändlerischen Kreisen wurde
die Meistbegünstigungsklausel damals im allgemeinen durchaus un—
günstig beurtheilt. In Frankreich hatten sich die berufenen Körper—
schaften einstimmig gegen die Klausel ausgesprochen. Bei Begründung
seines Antrages, betreffend die Untersuchung der Produktions- und
Absatzverhältnisse der deutschen Industrie und Landwirthschaft,“)
sagte der Abgeordnete von Varnbüler
„Da diese Klausel uns denn doch sehr im Wege steht, so
halte ich es für meine Pflicht, hier mitzutheilen, daß nach meiner
Kenntniß des Berichtes, den der französische Handelsminister er—
stattet hat, sich sämmtliche französische Kammern und chambres
consultatives d'agriculturæ et des arts et des manufactures sich
einstimmig gegen die Klausel der meistbegünstigten Nationen aus—
gesprochen haben und sie als eine der französischen Industrie nach⸗
theilige bezeichnet und den Wunsch ausgesprochen haben, man
möchte sie doch überhaupt nicht mehr einführen.“
Aus dem mitgetheilten Beschlusse des Centralverbandes ist zu
ersehen, daß auch er sich damals gegen die Klausel aussprach.
Diese Stellungnahme wird erklärlich, wenn der schwere Kampf in
Rechnung gezogen wird, den der Centralverband damals zu führen
hatte, und wenn erwogen wird, wie die Freihandelspartei unab—
lässig darauf hingewiesen hatte, daß die Handelsverträge im all—
gemeinen, und ganz besonders die Meistbegünstigungsklausel, mit
zwingender Nothwendigkeit allmählich zu der gänzlichen Beseitigung
*) Nr. 75 der Drucksachen-Anlagen pro 1877, S. 2176
**) Stenographischer Bericht des Reichstages, 8. Legisl.“Per., J. Sess. 1877,
II. Bd., S. 850 in der 32. Sitzung des Reichstages vom 28. April desselben
Jahres.