3518 H. A. Bueck. Centralverband Deutscher Industrieller.
Helfferich ist entschieden Freihändler; er bezeichnet die 1879
erfolgte Umkehr der deutschen Wirthschaftspolitik zum Schutzzoll als
Reaktion. Er bethätigt sich als Freihändler auch bei seiner Be—
sprechung der Krisis der siebziger Jahre, indem er sagt: „Diese ganze
schwere Krisis hatte an sich mit der Handelspolitik nichts zu thun.“
(S. 129.) Damit zeigt er dieselbe Verkennung der thatsächlichen
und maßgebenden Verhältnisse, von der damals die Regierung und
die Mehrheit im Reichtage befangen war.
Der deutschen Regierung schien aber bereits der feste Glaube
an die Richtigkeit des von ihr verfolgten Weges und die volle
Zuversicht abhanden zu kommen. Dazu hatte wohl der Umstand
beigetragen, daß Delbrück, die festeste Stütze des Freihandels, im
Frühjahr 1876 zurückgetreten war. Bis dahin hatte Bismarck,
im vollständigen Vertrauen auf Delbrück, sich nur insoweit um
die Handels- und Zollpolitik gekümmert, als sie in Beziehung zur
sonstigen Staatspolitik stand. Nunmehr nahm er die Leitung selbst in
die Hand. Er beschäftigte sich eingehend mit den wirthschaftlichen
Fragen, und seinem weiten Blicke konnte es nicht entgehen, daß es
erforderlich sei, andere Ziele zu verfolgen. Bereits im Oktober 1876
soll Bismarck sich im Ministerium für die Aufrechterhaltung der
Eisenzölle über den 1. Januar 1877 hinaus erklärt, sich aber,
dann, dem Widerstand des Finanzministes Camphausen
nachgebend, beschieden haben.“)
Auf die bessere Erkenntniß der Sache und auf den festen
Willen des Reichskanzlers ist es aber zurückzuführen, daß unter
dem 7. Dezember 1876 ein Gesetzentwurf betreffend die Erhebung
von Ausgleichungs-Abgaben**), bekannter unter der Bezeichnung
Retorsionsvorlage, eingebracht wurde.
Begründet war dieses Gesetz mit den in anderen Ländern
vertragswidrig bestehenden Ausfuhrprämien, namentlich mit den
französischen tütres-d'acquits-aàa-caution, und der mißbräuchlichen
Anwendung derselben. Es war besonders das Verdienst des Reichs⸗
tagsabgeordneten Stumm, des Besitzers großer Eisenwerke in
Neunkirchen bei Saarbrücken, unablässig auf die Schädigung hin—
gewiesen zu haben, die der deutschen Industrie von französischer
Seite durch die erwähnte Ausfuhrprämie bereitet wurde. Die
Helfferichece e 181
8) 2. Legisl.-Per., IV. Sess. 1876, III. Band, Anlagen Nr. 96, S. 781 ff.