2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. A. Handels- u. Zollpolitik. 323
importiren und wünschen deshalb in mißverstandenem Interesse
die einheimische Industrie im eigenen Lande schwächer als die aus—
wärtige, während doch eine große, stabile Industrie im Vaterlande
diesem nicht allein Kraft und seinen Bewohnern, besonders den
Millionen Arbeitern und Handwerkern, Unterhalt und Wohlstand
verleiht, sondern dasselbe auch zu gesteigerter Importation befähigt
und so den Interessen des See- und Landhandels volle Rechnung
trägt. Die Landwirthschaft glaubt z. B. irriger Weise, in den
Schutzzöllen eine unerträgliche Vertheuerung ihres Eisenkonsums
erblicken zu müssen; ganz besonders aber erhofft der ländliche
Grundbesitz, namentlich in den östlichen Provinzen, von einer
Schwächung der Industrie ein Sinken der Löhne in den Industrie—
bezirken und dadurch Beseitigung des Anreizes, für seine Arbeiter
höhere Lohnforderungen zu stellen oder bei der Industrie besser
bezahlte Arbeit zu suchen Die Landwirthe vieler östlichen
Gegenden unseres Vaterlandes mögen bedenken, daß die von ihnen
bis vor wenigen Jahren gezahlten Löhne zum Unterhalt der
Arbeiter nicht ausreichten, in keinem Verhältniß zu der besseren
Verwerthung der landwirthschaftlichen Produkte und dem somit ge—
steigerten Preise der Lebensbedürfnisse standen, und daß ihre
Arbeiter, bevor sie, besseren Erwerb suchend, nach den Industrie—
bezirken gingen, nach Amerika auswanderten und so dem Vater—
lande ganz verloren warenn
„Die freihändlerische Vereinigung giebt den entlassenen
Arbeitern der Industrie in einer im Reichstage vertheilten Broschüre
den Trost, daß man sie beim Landbau und Kleingewerbe „mit
offenen Armen empfange“, nur — wird hinzugefügt — würden sie
sich vielleicht „ihrer noblen Passionen entwöhnen müssen.“ Gewiß
für Bergleute und Hüttenarbeiter eine ebenso tröstliche Aussicht
wie für Spinner und Weber.
„Solchen gegen den gerechten Lohn der deutschen Arbeit ge—
richteten Plänen gegenüber heißt es für die Betheiligten zusammen—
stehen in treuer Bundesgenossenschaft; was der einen Industrie heute
widerfahren ist, droht jeder anderen bei gegebener Gelegenheit.
„Es ist bekannt, daß die unerbittlichsten Gegner der industriellen
Interessen im Reichstage dominiren, und daß ihnen nur wenige
Sachkundige daselbst gegenüberstehen. Das muß anders werden.
Sind auch die nächsten Reichstagswahlen schon sehr nahe, noch ist
es nicht überall zu spät.