346 H. A. Bueck. Centralverband Deutscher Industrieller.
konnten, hemmend und hindernd in die freie Bewegung und den
freien Verkehr einzugreifen. Der Verein für Sozialpolitik, oder
der Kathedersozialismus, wie die von ihm vertretene Richtung im
Hinblick auf die hauptsächlich leitenden Personen genannt wurde,
legte mehr Gewicht auf die Aufgabe des Staates, die Schwachen
und Hilflosen zu schützen und zu stärken. Er vertrat die Ansicht,
daß der Staat in seiner Rechtsordnung nicht nur dem einzelnen
eine möglichst freie Bewegung und Entwickelung gewähren, sondern
vor allem auch darauf bedacht sein müsse, die harmonische Gestaltung
des Ganzen zu sichern.
Der Gegensatz dieser beiden Schulen, der besonders bei der
Erörterung der Aufgaben des Staates scharf hervortrat, war bei
den Extremen auf beiden Seiten sehr bedeutend. Der rechte und
der linke Flügel beider Seiten standen sich jedoch recht nahe.
Dazu kam, daß der Gegensatz in nicht wenigen volkswirthschaftlichen
Fragen von anderen wirthschaftlichen und politischen Gesichts—
punkten und Rücksichten zurückgedrängt wurde. Auf diesen Umstand
zurückzuführende Bewegungen hatten den Volkswirthschaftlichen
Kongreß, dessen Stern bereits zu erbleichen begonnen hatte, ver—
anlaßt, die Kathedersozialisten zu seiner Hauptversammlung in
Bremen — 1873 — einzuladen. Dort hatte sich gezeigt, daß die bei
den Abstimmungen sich scheidenden Theile nicht sowohl aus den
Mitgliedern des Volkswirthschaftlichen Kongresses einerseits und
aus denen des Vereins für Sozialpolitik andererseits bestanden,
als daß diese Theile vielmehr aus beiden Vereinigungen zu—
sammengesetzt waren. Diese Beobachtung hatte zu dem Abkommen
geführt, die Hauptversammlungen beider Vereinigungen in Zukunft
gemeinsam abzuhalten, und zwar sollten sie abwechselnd das eine
Mal als Volkswirthschaftlicher Kongreß, das andere Mal als
Hauptversammlung des Vereins für Sozialpolitik in die Erscheinung
treten. Die jeweilig als Gäste betrachteten Mitglieder der anderen
Vereinigung sollten sich als gleichberechtigte Mitglieder an den
Verhandlungen und Abstimmungen betheiligen können, soweit letztere
nicht die inneren Angelegenheiten, besonders Wahlen der die Ver—
sammlung führenden Vereinigung, betrafen. Bei diesem Abkommen
waren indeß die Gegensätze zu gering veranschlagt worden: ihrer
grundsätzlichen Art entsprechend, traten sie mit zunehmender Schärfe
hervor und führten nach wenigen Jahren zur Lösung der Ueber—
einkunft.