350 H. A. Bueck. Centralverband Deutscher Industrieller.
Arbeit“ in die Glieder geschlagen sei. Die Schutzzöllner in Oesterreich
suchten ihren durch Reichthum und politische Stellung erlangten
schwerwiegenden Einfluß auf die Regierung gegen das System der
Handelsverträge mit der Klausel der Meistbegünstigung auszuüben.
Man verurtheile in Oesterreich die Handelsverträge und fordere
einen autonomen Zolltarif, weil durch die ersteren die Macht⸗
befugnisse des Dispositionsrechtes der Volksvertretungen Einbuße
erlitten und die Meistbegünstigung Oesterreich verhindere, den be—
nachbarten Staaten im Osten und Süden offen besondere Be—
günstigungen einzuräumen. Es sei jedoch unrichtig, daß durch
Handelsverträge die vertraglichen Staaten behindert wären, über
ihre Zolltarife selbständig zu disponiren. Deutschland habe das
mit der Einführung seines autonomen Tarifes vom 1. Oktober 1873
und mit den späteren Aenderungen desselben bewiesen. Freilich
seien, wo Konventionaltarife beständen, selbständige Aenderungen der
Zollgesetze nur in freihändlerischem Sinne durchführbar. „Und
darin liegt“, so sagte der Referent wörtlich „der freihändlerische
Charakter der Handelsverträge, der nicht auf der in dem Vertrags—
tarife festgestellten Höhe der Zölle beruht, sondern auf der Un—
möglichkeit, schutzzöllnerische Gelüste für die Dauer der Vertragszeit
geltend zu machen. Ein Konventionaltarif stellt die äußerste
Schranke dar, hinter welche die schutzzöllerischen Ansprüche zurück⸗—
getrieben sind; ein autonomer Tarif bildet die ungedeckte
Position, gegen welche die Schutzzöllner ihre Geschütze spielen lassen
können; darum der Kampf der Freihändler gegen autonome Tarife,
ganz abgesehen von ihrer Höhe, weil sie die Stabilität der Zoll⸗
verhältnisse und mit ihr die gedeihliche Entwicklung der Industrie
beeinträchtigen.“ Oesterreich wolle aber seine Zölle erhöhen und die
vertragsmäßige Begünstigung annullieren, auf der anderen Seite
aber die von Deutschland autonom herabgesetzten Zölle genießen.
Unter diesen Umständen seien die Aussichten für das Zustandekommen
des Handelsvertrages ungünstig. Welche Positionen des Tarifes
bei den Verhandlungen besondere Schwierigkeiten bereiteten, wisse man
nicht bestimmt; aus den vorliegenden Berichten der Handelskammern
gehe jedoch hervor, daß, wie stets die wichtigsten Industrien, so
auch hier die Industriebarone aus der Eisen— und Textil—
industrie um ihr Bettelbrot kämpften. Die Textilindustriellen
verlangten unter anderem auch die Aufhebung des Veredelungsverkehrs
für das Appreturverfahren. Der Appretur- oder Veredelungs—