2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. A. Handels- u. Zollpolitik. 351
verkehr habe für die beiderseitigen betreffenden Industrien große
Bedeutung. Die schutzzöllnerischen Ansprüche liefen auf das Be—
streben hinaus, die auf den bestehenden Verhältnissen sich gesetzlich
entwickelnden Industrien zu benachtheiligen zu Gunsten von
Industrien, die sich unter den neugeschaffenen Verhältnissen möglicher—
weise ausbilden könnten. Nachdem Referent sich für die auch von
den österreichischen Schutzzöllnern geforderte Beibehaltung der
zollfreien Einfuhr von roher Leinwand über die Grenzstrecken
Leobschütz -⸗Seidenberg und Ostritz -Schandau ausgesprochen hatte,
ging er zu der Betrachtung der Stellung über, welche die deutschen
Industriellen eingenommen hätten. Sie seien im ganzen einem
Handelsvertrage mit Oesterreich freundlich gesinnt, bekämpften jedoch
die Meistbegünstigung, und es sei nicht zu leugnen, daß die in
Deutschland entstandene schutzzöllnerische Bewegung der wesentlichste
Verbündete für die Schutzzollbewegung in Oesterreich geworden sei.
Auf Grund des von dem Centralverband ausgearbeiteten aben—
teuerlichen Entwurfes eines Zolltarifes sei an eine Verständigung
mit Oesterreich nicht zu denken. Referent forderte, daß Deutschland
durch den neuen Vertrag Oesterreich gegenüber nicht ungünstiger
gestellt werde als durch den bisherigen, daß es die bisherigen ver—
tragsmäßigen Zölle beanspruche und Zollermäßigungen für die
Eisenindustrie bewirken solle. Er forderte ferner die Aufrecht—
erhaltung des Veredelungsverkehrs in dem bisherigen Umfange;
dagegen solle Deutschland von Zollerhöhungen Oesterreich gegen—
über abstehen und auch das Zollkartell aufrecht erhalten. Beide
Staaten hätten die Meistbegünstigungsklausel anzunehmen. Die
Eventualität des Scheiterns des Handelsvertrages ins Auge fassend,
stellte Redner die Frage: „Ob Deutschland einen die Interessen
seiner Industrie wesentlich beeinträchtigenden Handelsvertrag mit
Oesterreich abschließen oder von einem solchen ganz abstehen solle.“
Er beantwortete die Frage wie folgt: „Wie schwer es den Freunden
der freihändlerischen Handelspolitik fällt, den letzteren Weg zu gehen
und somit der schutzzöllnerischen Agitation die ihr durch die Handels—
verträge angelegten Fesseln abzustreifen, wie verhängnißvolle Wirren
sie auch bei dem alsdann entstehenden Drängen mächtiger Industrie—
zweige nach Zollerhöhungen für unsere Industrie und unseren
Handel entstehen sieht, — es besteht doch keine Frage, daß sie
einer vertragsmäßig verschlechterten Stellung unsererseits eine ver—
tragslose vorzieht. Aber sie geht von der Ansicht aus, daß das