Full text: Erster Band (1. Band)

2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. A. Handels- u. Zollpolitik. 373 
Die erschütternden Vorgänge, denen die Auflösung des Reichs— 
tages im Sommer 1878 folgte, sind in der Chronik des Central— 
verbandes bereits besprochen worden. Die Wahlen zum Deutschen 
Reichstag waren bisher von den großen politischen Fragen so 
vollkommen beherrscht worden, daß es den Wählerschaften durchaus 
fern gelegen hatte, die wirthschaftlichen Ansichten der aufgestellten 
Kandidaten irgend zu beachten. Das war bei den Wahlen des 
Jahres 1878 ganz anders geworden. Der Centralverband hatte 
dafür Sorge getragen, daß in allen Wahlbezirken, in denen die 
Industrie irgend Bedeutung hatte, die Kandidaten aufgefordert 
wurden, ihre Stellung zu der im Vordergrunde der allgemeinen 
Interessen stehenden Handelspolitik darzulegen. Dabei trat die 
höchst merkwürdige Erscheinung hervor, daß kein Kandidat Frei— 
händler sein wollte. Die als Freihändler bekannten Kandidaten 
bethätigten ihre Stellung wesentlich nur in der Bekämpfung von 
übermäßigen schutzzöllnerischen Forderungen, die von keiner Seite 
vorlagen. Die Stellung zu einem Umschwunge in der frei— 
händlerischen Wirthschaftspolitik des Deutschen Reiches wurde 
sorgsam umgangen oder umschrieben. Die Reichstagskandidaten 
hatten die Macht der schutzzöllnerischen Bewegung und deren großen 
in der Bevölkerung gewonnenen Halt erkannt. Dieses Mal hatte 
sich die Zusammensetzung des Reichstages gründlich verändert. 
Sehr bald nach dessen Zusammentritt traten 204 Abgeordnete zu 
einer freien wirthschaftlichen Vereinigung unter dem Vorsitz des 
Freiherrn von Varnbüler zusammen. Die Geschäftsführung 
wurde dem Reichstagsabgeordeten und Geschäftsführer des Vereins 
Deutscher Eisen- und Stahl-Industrieller, Dr. Rentzsch-Berlin, 
übertragen. Durch diese Vereinigung der Mitglieder, die das 
Prinzip des Schutzes der nationalen Arbeit als berechtigt an— 
erkannten, war eine Mehrheit in dem neuen Reichstage für eine 
Umkehr der deutschen Wirthschaftspolitik gesichert. Unter dem 
17. Oktober 1878 gab diese freie Vereinigung nachstehende Er— 
klärung ab: 
„In den weitesten Kreisen des Deutschen Reiches sieht man 
mit Spannung einer endlichen klaren Entschließung der verbündeten 
Regierungen rücksichtlich der Grundlagen des deutschen Handels— 
verkehrs mit dem Auslande entgegen. Es lag deshalb nahe und 
ist vielfach verlangt worden, daß der augenblicklich versammelte 
Deutsche Reichstag die hiermit zusammenhängenden Fragen behufs
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.