2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. A. Handels- u. Zollpolitik. 387
Centralverband seine diesbezüglichen Ansichten in einer Eingabe
an den Reichskanzler dar. Die Eingabe lautete wie folgt:
„Wie die Zeitungen melden, sollen im Laufe dieses Monats
die Kommissarien Deutschlands und Oesterreich-Ungarns behufs
Verhandlungen über den Abschluß eines neuen Handelsvertrages
in Berlin wieder zusammentreten.
„Schon in unserem ehrerbietigen Schreiben vom 25. Septem—
ber v. J. haben wir uns erlaubt, im Namen des Centralverbandes
Deutscher Industrieller die Bitte vorzutragen, daß vorläufig und
vor Ausführung der von uns damals nachgesuchten Enquete von
dem Abschluß eines Handelsvertrages mit Oesterreich abgesehen,
und daß vor allem und in erster Linie die Aufstellung eines
autonomen Tarifs für das Deutsche Reich ins Auge gefaßt werden
möchte.
„Inzwischen ist auch dem von uns an Ew. Durchlaucht
gerichteten Gesuche um schleunige Anordnung einer Enquete durch
den Beschluß des Bundesraths rücksichtlich der Eisen-, der Baum—
wollen- und der Leinen-Industrie stattgegeben worden, und die in
dieser Beziehung erforderlichen Untersuchungen und Verhandlungen
sind in vollem Gange.
„Obwohl die erwählten Enquete-Kommissionen ihre Arbeit mit
größtem Eifer und Fleiß betreiben, so ist doch die Beendigung
und insbesondere die gesetzgeberische Verwerthung derselben vor dem
Frühjahr nächsten Jahres nicht zu erwarten.
„Unzweifelhaft ist hinsichtlich der internationalen Verkehrs—
beziehungen ein Umschwung in der öffentlichen Meinung in unserem
Welttheile eingetreten, und mehrere europäische Kulturstaaten haben
bereits ihre desfallsige Gesetzgebung einer genauen Revision unter—
worfen oder sind wenigstens damit beschäftigt, die Tarifgesetzgebung
mit den veränderten Anschauungen in Einklang zu bringen.
„Insbesondere hat, von anderen Ländern abgesehen, auch
Oesterreich-Ungarn seinen Generaltarif, den gegenwärtigen Verkehrs—
verhältnissen neu angepaßt und dem Verlangen nach Schutz der
heimischen Industrie in den wichtigsten Positionen Rechnung
getragen, indem es zugleich Vorsorge dafür getroffen hat, daß die
Waaren aller derjenigen Länder, welche Oesterreich-Ungarn nicht
auf dem Fuße der meistbegünstigten Nation behandeln, mit
empfindlichen Zuschlagszöllen belastet werden.
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