Full text: Erster Band (1. Band)

388 H. A. Bueck. Centralverband Deutscher Industrieller. 
„Während unser Nachbarland auf diese Weise vollständig 
gerüstet in den Kampf um die Einrichtung neuer Handelverträge 
eintritt, haben wir in Deutschland diesen nothwendigen Umwand— 
lungsprozeß noch nicht vollzogen, unsere handelspolitischen Zustände 
tragen noch den Stempel einer überwundenen Periode an sich, und, 
unfertig und unbewehrt, würden wir genöthigt sein, die Vertrags— 
verhandlungen mit Oesterreich-Ungarn wieder aufzunehmen. Unter 
solchen Umständen, und da der Ablauf der bisherigen Vertrags— 
beziehungen zwischen Deutschland und Oesterreich in wenigen 
Wochen bevorsteht, werden Ew. Durchlaucht es erklärlich und 
verzeihlich finden, daß in der deutschen Industrie eine gewisse Be— 
orgniß sich geltend macht und der Wunsch laut geworden ist, daß 
auch bei uns in kürzester Frist mit der Aufstellung eines autonomen 
Tarifs vorgegangen werden möchte. 
„Fast bei allen europäischen Staaten zeigt sich eine gewisse 
Scheu vor der Eingehung neuer langjähriger handelspolitischer 
Verpflichtungen, und selbst in Frankreich, in welchem Lande be— 
kanntermaßen der Gewerbfleiß durch eine sehr vorsorgliche und ge— 
schickte Tarifgesetzgebung von jeher begünstigt worden ist, hat der 
gesetzgebende Körper dem zwischen der französischen und italienischen 
Regierung vereinbarten neuen Handelsvertrage die Bestätigung ver— 
sagt, weil man auch dort von der Nothwendigkeit durchdrungen ist, zu— 
vörderst an den vorhandenen Generaltarif die bessernde Hand zu legen. 
„Für Deutschland ist aber beim Abschluß von Handelsver— 
trägen auch um deswillen die größte Vorsicht erforderlich, weil auf 
Grund der den Franzosen im Frankfurter Frieden zugestandenen 
Klausel der meistbegünstigten Nation jede Vertragsbestimmung 
zu gleicher Zeit auch auf die internationalen Beziehungen mit 
Frankreich Anwendung findet. 
„Es ist vielfach die Behauptung aufgestellt worden, daß der 
schwere gewerbliche Nothstand, welcher seit Jahren auf dem deutschen 
Vaterlande lastet, zum Theil auf die Ueberproduktion in einzelnen 
Erwerbszweigen zurückzuführen sei, und dieser Behauptung kann 
eine gewisse Berechtigung nicht abgesprochen werden. Allein nicht 
die Ueberproduktion im eigenen Lande, sondern die Ueberproduktion 
des Auslandes hat die Krisis zum größten Theile verschuldet, und 
wenn man erwägt, daß in England seit ungefähr J Jahren 
10 Millionen neue Baumwollenspindeln entstanden sind, während 
Deutschland einschließlich von Elsaß-Lothringen im ganzen nur
	        
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