406 H. A. Bueck. Centralverband Deutscher Industrieller.
In dem Zolltarif vom 15. Juli 1879 war unter Nr. 8 ein
Zoll von 1 Mark für 100 kg Flachs und andere vegetabilische
Spinnstoffe, roh, geröstet, gebrochen oder gehechelt, auch Abfälle,
festgesetzt worden. Nur Baummolle sollte zollfrei bleiben. Dieser
Zoll war in der zweiten Lesung von den Abgeordneten Freiherrn
von Ow und von Ludwig beantragt, aber mit geringer Mehr—
heit abgelehnt worden. In der dritten Lesung*“) nahm der Ab—
geordnete Freiherr von Ow den Antrag wieder auf und begründete
ihn mit dem Interesse der Landwirthe, der kleinen Grundbesitzer
und der kleinen Hausindustrie. Ohne weitere Erörterungen wurde
zur Abstimmung geschritten und der Antrag mit 153 gegen
152 Stimmen angenommen. Dieser Beschluß, der bei der Ver—
kündigung des Ergebnisses der Abstimmung die Heiterkeit des
Hauses erregte, war ungemein schwerwiegend, da er geeignet war,
den künftigen Bestand der deutschen Leinenindustrie gänzlich in Frage
zu stellen. Denn diese Industrie war darauf angewiesen, und ist es
noch, ihr Rohmaterial zum überwiegend großen Theile von dem Aus—
lande zu beziehen. Nach 81 des Gesetzes, betreffend den Zoll—
tarif ꝛc. sollte der Zoll für die unter der Tarifnummer 8 be—⸗
zeichneten vegetabilen Spinnstoffe (Flachs u. s. w.) erst vom
1. Juli 1880 ab erhoben werden. Der Reichstag hatte im nächsten
Jahr ein besseres Einsehen. Durch Gesetz vom 6. Juni 1880
wurde der Flachszoll wieder aufgehoben.
Die dritte Generalversammlung des Centralverbandes fand
in Augsburg am 22. —24. September 1879 statt. **)
Sie bildete gewissermaßen den Abschluß der ersten Thätigkeits—
periode des Centralverbandes und ist daher in der Chronik des
Verbandes bereits behandelt worden. Sie wurde in erster Reihe
beherrscht von den Empfindungen des Dankes für den Reichs—
kanzler, die Bundesrathsmitglieder und die Mitglieder des Reichs—
tages, die dazu beigetragen hatten, den lang erstrebten Umschwung
in der deutschen Wirthschaftspolitik gesetzlich festzustellen. In dieser
Versammlung kam aber auch das berechtigte Gefühl der Befriedigung
über die eigene Thätigkeit des Centralverbandes zum Ausdruck, der
in hartem Ringen wesentlich dazu beigetragen hatte, die stattgehabte
Aenderung herbeizuführen. Auch hierüber wie über die Stellung
*) Ebenda e 2287
**) Verhandlungen ꝛc. Heft 10.