Full text: Erster Band (1. Band)

150 H. A. Bueck. Centralverband Deutscher Industrieller. 
rückgetreten war, trat fast in der ganzen freisinnigen und frei— 
händlerischen Presse das Streben hervor, in der Oeffentlichkeit die 
Ansicht zu erwecken, daß nunmehr ein dem des Fürsten Bis— 
marck entgegengesetzter Kurs eingeschlagen werden würde. Bezüg— 
lich der inneren allgemeinen Politik nahm die deutsch-freisinnige 
Partei die Regierung für sich in Anspruch; in Bezug auf die 
Wirthschaftspolitik wurde die Umkehr zum Freihandel als bevor— 
stehend vorausgesagt. Dazu, die öffentliche Meinung in diesem Sinne 
zu bearbeiten, war die Aufnahme der Verhandlungen der deutschen 
Regierung über den Abschluß eines deutsch-österreichisch-ungarischen 
Handelsvertrages außerordentlich günstig. Wochen und Monate lang 
war täglich in der Presse zu lesen, daß diese Verhandlungen nur 
dazu führen würden, dem Freihandel wieder die Bahnen zu öffnen. 
So geheim diese Verhandlungen mit Oesterreich geführt wurden, 
und so wenig damals über deren Resultat verlautete, so wurde 
doch daraus kein Geheimniß gemacht, daß die deutsche Regierung 
bereit wäre, eine Ermäßigung der Getreidezölle Oesterreich-Ungarn 
als Kompensation anzubieten. Es war nicht zu verkennen, daß 
mit diesem Angebot den dringenden Forderungen der Freihändler 
entgegengekommen wurde. Damit aber wurde in den Kreisen der 
Landwirthe, ebenso wie in denen der Industrie, eine außerordent— 
liche Beunruhigung hervorgerufen, und zwar besonders dadurch, 
daß die Regierung sich fortgesetzt gegenüber jenen anmaßenden und 
aufdringlichen Preßstimmen in Schweigen hüllte. Sie hatte es 
auf Veranlassung des neuen Reichskanzlers aufgegeben, außer in 
dem Reichsanzeiger, irgendwie mit ihren Ansichten in der Presse 
hervorzutreten oder sich von derselben vertheidigen zu lassen. Hin 
und wieder benutzt wurde noch die Norddeutsche Allgemeine Zeitung 
in auswärtigen Angelegenheiten. Gänzlich abgebrochen waren 
aber die Beziehungen zu derjenigen Presse, in der man seit langer 
Zeit gewöhnt war die Ansichten der Regierung, wenn auch nicht 
offiziell, vertreten zu sehen. In großen landwirthschaftlichen Vereinen 
wurden schon vielfach Stimmen laut, die es unumwunden aus— 
sprachen, daß, wenn die Getreidezölle abgebröckelt werden sollten, 
die Landwirthe alle zusammen, Freihändler und Schutzzöllner, sich 
dann in ihrem eigenen Interesse gegen die Industriezölle zu wenden 
hätten. Bei dieser Sachlage hatte sich das Direktorium veranlaßt 
gesehen, in einer öffentlichen Erklärung den Landwirthen zu er— 
kennen zu geben, daß die im Centralverbande vertretene Industrie
	        
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