Full text: Erster Band (1. Band)

456 H. A. Bueck. Centralverband Deutscher Industrieller. 
Beschränkung der freien Verfügung auf zolltarifarischem Gebiete 
nicht zu vermeiden war. Unter diesen Gesichtspunkten und unter 
Anerkennung der Nothwendigkeit, der deutschen Industrie den durch— 
aus nöthigen Schutz zu erhalten, waren von den Regierungen die 
Handelsverträge geschlossen worden. 
Der Centralverband hatte den Abschluß von Handelsver— 
trägen stets befürwortet und daher auch die im großen Stile 
angelegte Handelsvertragspolitik des Reichskanzlers Grafen 
von Caprivi freudig begrüßt. Dennoch konnte nicht in Abrede 
gestellt werden, daß die Ergebnisse dieser Politik, wie sie in den 
mit Oesterreich-Ungarn, Italien, der Schweiz und Belgien abge— 
schlossenen Verträgen zur Thatsache geworden waren, der Industrie 
manche Enttäuschungen bereiteten. Besonders ungünstig waren 
die über den Handelsvertrag mit Oesterreich-Ungarn gefällten Ur— 
theile; denn er machte auf weite Kreise der Industrie den Eindruck, 
als wenn die Bevollmächtigten Oesterreichs in der Vertretung der 
Interessen ihres Landes den deutschen Unterhändlern überlegen 
gewesen wären. Als Ursache dieser Erscheinung wurde vielfach der 
Umstand betrachtet, daß Deutschland ohne genügende Vorbereitung 
in die Verhandlungen eingetreten war, und daß die Verhandlungen 
selbst nicht mit ausreichenden Kräften geführt worden waren. 
Einige Jahre vorher hatte der deutsche Handelstag auf Ver— 
anlassung der Regierung von den Handelskammern Gutachten mit 
Bezug auf den Abschluß eines Handelsvertrages mit Oesterreich 
eingezogen. Dieselben bildeten in der Hauptsache das Material, auf 
welches die deutschen Unterhändler angewiesen gewesen waren. Es 
hatten auch die leitenden Staatsmänner, wie der Reichskanzler in der 
Rede, mit der er am 10. Dezember 1891 im Reichstage“) die Ver— 
handlungen über die Handelsverträge einleitete, der Staatsminister 
von Boetticher in der Sitzung vom 14. Dezember 1891*) und 
ganz besonders eingehend der Handelsminister in der Sitzung des 
Abgeordnetenhauses vom 26. Februar 1892**) über das Material 
für den Abschluß von Handelsverträgen gesprochen. Sie behaupteten, 
daß es in vollkommen ausreichendem Maße gesammelt und vor— 
) Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstags, 
8. Legisl.-Per. J. Sess. 1890/92, V. Band, S. 3301 ff. u. 3419 ff. 
**) Stenographische Berichte über die Verhandlungen der durch die 
Allerhöchste Verordnung vom 28. Dezember 1891 einberufenen Häuser des 
Landtages. Haus der Abgeordneten. J. Band, S. 599 ff.
	        
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