2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. A. Handels- u. Zollpolitik. 479
Bei der Beurtheilung dieser Sachlage sei nicht außer Betracht
zu lassen, daß die vom Referenten erwähnten starken Erhöhungen
der russischen Zölle, durch welche der deutsche Export schwer
geschädigt worden sei, unerkennbar, theilweise wenigstens, mit der
Erhöhung der Getreidezölle in jener Zeit bis auf den Satz von
5 Mark im Zusammenhang gestanden hätten. Was jetzt verlangt
werde, sei nichts Anderes als der Ausgleich eines kleinen Theiles
derjenigen Schädigungen, die der deutschen Industrie durch die
Erhöhung der russischen Zölle zugefügt worden seien. Er halte
den Beweis, daß der Handelsvertrag nicht auf Kosten der Land—
wirthschaft geschlossen sei, von dem Referenten Bueck für erbracht.
Man verlange, daß im Interesse der Industrie von der Land—
wirthschaft etwas gewährt werde, was ihr selbst keinen Nachtheil
bringe. Die differenzielle Behandlung des russischen Getreides
habe dieses auf den Weltmarkt gedrängt und dadurch zum Sinken
des Weltmarktpreises überhaupt beigetragen, worunter dann wieder
die deutschen Getreideproduzenten gelitten hätten. Die Gleichstellung
des russischen Getreides werde zur Gesundung des Weltmarktpreises
beitragen und eine Steigerung der Getreidepreise herbeiführen.
Somit werde die Landwirthschaft mehr Vortheil als Nachtheil von
dem Handelsvertrag haben. Redner ging dann dazu über, darzu—
legen, wie die Bureaukratie früher geglaubt habe, mit gelegentlichen
Informationen, die eingeholt worden seien, Handelsverträge ab—
schließen zu können. In dem vorliegenden Falle sei anders ver—
fahren worden. Redner schilderte dann die Thätigkeit des kleinen
Zollparlaments, des sogenannten Zollbeirathes, dessen zweitägige
Debatten keine weiteren Ergebnisse gehabt hätten als die Wahl des
Ausschusses, der dann als wirklicher Zollbeirath gewirkt habe. Gr
schilderte die Art des Vorgehens im einzelnen und glaubte versichern
zu können, daß, wenn man berücksichtige, daß Rußland die Absicht
verfolgt habe, seine protektionistische Handelspolitik in der Hauptsache
beizuhalten, man erreicht habe, was überhaupt zu erreichen mög—
lich gewesen sei. Er schloß mit der Hoffnung, daß der günstige
Erfolg, der mit der Mitwirkung des Zollbeirathes erzielt worden
sei, die Regierung veranlassen werde, bei späteren Verhandlungen
ebenso zu verfahren.
Der zweite Korreferent Kommerzienrath Vogel ergänzte zu—
nächst die Mittheilungen Möllers über die Thätigkeit des Zoll—
beirathes in einigen Beziehungen und legte im einzelnen die Ge—