2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. A Handels- u. Zollpolitik. 505
richteten; er suchte unter Beleuchtung der verschiedenen in den
Agrarstaaten einerseits und in den Industriestaaten andererseits
maßgebenden Interessen den Nachweis zu führen, daß die von
agrarischer Seite entschieden abgewiesene Bindung der Getreidezölle
die Grundlage neuer Handelsverträge bilden müßte, daß demgemäß
die Abweisung dieser Bindung gleichbedeutend sei mit einer unbe—
dingten Ablehnung langfristiger Handelsverträge.
Im Anschluß an eine von dem Staatssekretär des Innern
Grafen von Posadowsky im Reichstage gemachte Aeußerung,
schloß der Geschäftsführer diesen seinen Bericht mit folgenden
Bemerkungen: Daß die neu abzuschließenden Handelsverträge nicht
eine Abschrift der bestehenden sein würden, sei selbstverständlich. Er
glaube, die Industrie würde energisch protestiren, wenn die Handels—
verträge mit Belgien, der Schweiz, Italien und Oesterreich einfach
abgeschrieben werden sollten. Daß die bestimmte Absicht vorliege,
den deutschen Tarif besser auszugestalten, könne von der Industrie
nur mit Freuden begrüßt werden. Die Mängel des deutschen
Tarifs seien nur zu deutlich bei den Handelsvertragsverhandlungen
und besonders bei den Verhandlungen über den Abschluß des
Vertrages mit Rußland hervorgetreten. Daß Deutschland in dieser
Beziehung für Abhülfe sorgen werde, wäre sehr leicht voraus—
zusehen. Dankbar müsse man dem Staatssekretär für die bestimmt
ausgesprochene Absicht sein, die schwierige Arbeit nicht zum Ab—
schluß zu bringen, ohne vorher die Industrie gehört zu haben.
Wenn es den Gegnern der Handelsvertragspolitik gelingen sollte,
den Abschluß neuer langfristiger Handelsverträge zu verhindern, so
dürfte das Vaterland hinsichtlich der Ausgestaltung seines Wirth—
schaftslebens und damit seiner gesammten Stellung schweren und
traurigen Zeiten entgegengehen.
Auch in dem Bericht, den der Geschäftsführer in der Aus—
schußsitzung am 25. Mai 1897*) erstattete, nahmen die auswärtigen
Handelsbeziehungen einen breiten Raum ein.
Die Möbelstoffindustrie, besonders in Chemnitz, Greiz und
Gera, hatte eine bedeutende Ausfuhr nach Dänemark und Schweden.
In neuerer Zeit wurden dieselben Stoffe in jenen Ländern von recht
leistungsfähigen Fabriken hergestellt, denen es aber noch nicht
*) Verhandlungen ꝛc. Heft 74