2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. A. Handels- u. Zollpolitik. 507
gelangt war. Auf seine persönliche Anfrage im Auswärtigen
Amt wurde dem Geschäftsführer mitgetheilt, daß die Zeitungs—
nachrichten über die bereits erfolgte Einführung eines Vorzugszolles
unrichtig seien. Auch sei anzunehmen, daß eine solche Bevorzugung
überhaupt nicht eintreten werde, da nach dem vom deutschen Zoll—
verein mit Großbritannien unter dem 30. Mai 1865 geschlossenen
Handelsvertrage eine solche Begünstigung der englischen Einfuhr
in einer der englischen Kolonien einen Bruch des Vertrages be—
deuten würde, den sich England sicherlich nicht zu Schulden kommen
lassen werde. Der Geschäftsführer schloß diese Mittheilungen mit
dem Bemerken, ob England den Vertrag kündigen werde, wozu
es berechtigt sei, könne nicht vorhergesehen werden, er vermuthe
aber, daß England diesen Schritt nicht thun werde.
Mit dieser Vermuthung hatte sich der Geschäftsführer freilich
geirrt, denn der Vertrag wurde später von England gekündigt,
und infolge dieser Kündigung führte Canada für die englische Ein—
fuhr eine Bevorzugung von 33 pCt. ein, die später auf 25 pCt.
ermäßigt wurde. Dadurch wurde Deutschland veranlaßt, Kampfzölle
gegen Canada einzuführen, so daß der Zustand eines Zollkrieges
eintrat, der gegenwärtig noch fortbesteht.
Die Verhältnisse in den Vereinigten Staaten hatten eine für
die deutsche Industrie sehr ungünstige Wendung genommen, da die
übermäßig schutzzöllnerischen Bestrebungen dort mehr und mehr zur
Geltung gelangt waren. Wenn den Vereinigten Staaten das Recht
nicht abgesprochen werden konnte, ihre Zollangelegenheiten autonom
zu regeln, so gewann es doch den Anschein, als wenn sie weiter
gehen und sich nicht scheuen wollten, die bestehenden Verträge zu
brechen.
Von der Differenzirung des deutschen Zuckers ist hier schon
die Rede gewesen; auch davon, daß nach der in Deutschland herr—
schenden Ansicht mit dieser Maßregel die Meistbegünstigung verletzt
worden war. Der Geschäftsführer konnte berichten, daß nach
Zeitungsmeldungen die deutsche Regierung gegen die Verletzung
Protest erhoben und in ihrer schriftlichen Darlegung ausgeführt
habe, daß, wenn die Differenzirung des deutschen Zuckers aufrecht
erhalten werden sollte, Deutschland vor die Frage gestellt werde,
ob die nach dem Gegenseitigkeitsvertrage von Saratoga vom
Jahre 1891 auf Waaren aus den Vereinigten Staaten, insbesondere