Einleitung: Politik und Zoll- u. Handelsgesetzgebung. 27
Konferenz mit Spannung entgegen; denn von ihr erwartete man
bestimmt die Entscheidung der großen Streitfrage Schutzzoll oder
Freihandel. Die Gesandten von England, Frankreich und Belgien,
sowie handelspolitische Agenten aller Art suchten auf diplomatischen
und anderen Wegen Kenntniß von den Verhandlungen zu bekommen
und die Entschließungen der Regierungen zu beeinflussen. Jeder—
mann glaubte zu wissen, daß die Entscheidung von Berlin abhänge,
wohin sich daher alle Anstrengungen und Blicke richteten.
In der preußischen Regierung hatten sich über die Frage,
ob das bestehende Zollsystem, den vielfachen Anforderungen ent—
sprechend, nicht in nationalem Sinne weiter zu entwickeln sei,
ernste Gegensätze gebildet. Das Auswärtige Ministerium und das
neu gebildete Handelsamt neigten der Ansicht zu, daß es
nothwendig sei, im Interesse der vereinsländischen Industrie die
Zölle in angemessener Weise zu erhöhen. Das Finanzministerium
hielt starr an dem bisherigen Zollsystem, also an dem Prinzip
mäßiger Zölle, fest. Es war daher gegen alle Zollerhöhungen,
n welche sich von der preußischen Zollgesetzgebung des Jahres 1818
entfernten. Maßgebend war dabei die Rücksicht auf die
finanziellen Erfolge des bestehenden Systems. Außerhalb der
9 Regierung fand diese Richtung auch jetzt wieder in dem großen,
e die Einfuhr fremder Waaren vertretenden Handelsstande, den
r Landwirthen und einem großen Theil der Konsumenten Ver⸗
theidiger. Diese bildeten mit den Vertretern der abstrakten Wissen—
, schaft, welche prinzipiell alle Zölle verwarf, die eigentlichen Ver—
n treter des Freihandels, die ihren Sitz vorzugsweise in den großen
ir Meßplätzen und den Handelsstätten des Nordens hatten. Grund⸗
sätzlich waren diese Freihändler ebenso sehr von den Anhängern
mn des bisherigen Zollsystems wie von den Vertretern der Schutzzoll⸗
8 richtung entfernt. Ihre augenblickliche Vereinigung mit den ersteren
h⸗ gründete sich nur auf den zufälligen Umstand, daß die Anhänger
n des bisherigen Systems jeder Abänderung desselben, und sonach auch
er der geforderten Erhöhung einzelner Zollsätze, widerstrebten.
uf Seit Ende des Jahres 1844 hatten sich jedoch, unter dem
n⸗ Gebote eines höheren Willens, die Ansichten der Anhänger des
bisherigen Systems in den Regierungskreisen etwas gemäßigt. Die
de Frage, ob nicht ein höherer Zollschutz für Leinen-, Baumwollen—
es und Wollengarn, sowie von Geweben daraus und für Soda noth⸗
ser wendig sei, wurde Sachverständigen aus dem Kreise der deutschen