Einleitung: Volitik und Zoll- u. Handelsgesetzgebung. 29
die Hauptinteressen der sächsischen Regierung sich gegen die
Forderungen der Schutzzollpartei richteten. Braunschweig stand
auch auf der Seite des Freihandels, obgleich es einer Erhöhung
des Zolles auf Leinengarn und Leinenwaaren, nach Maßgabe
des preußischen Vorschlages, nicht völlig abgeneigt war. Kurhessen
war, wie immer, schwankend. Seine industriellen Interessen waren
nach keiner Seite hin entscheidend. Nassau, welches 1842 eine
Erhöhung des Zolles auf Eisen beantragt hatte, schloß sich diesmal
den Gegnern an, und zwar lediglich aus finanziellen Gründen.
Frankfurt, das nur seinen Großhandel zu vertreten hatte, stellte
sich natürlich ganz auf die Seite der Freihandelspartei.
An der Spitze der Gegenpartei stand Württemberg. Dort
hatte sich die Baumwollspinnerei am meisten ausgebreitet. Obwohl
sie sich eines guten Absatzes zu erfreuen hatte, stand sie, wie über—
haupt die Baumwollspinnerei im Zollverein, noch so tief unter jener
von England und Belgien, daß sie sich, ohne gesteigerten Zollschutz,
voraussichtlich nur kümmerlich erhalten konnte. Diese Ueber—
zeugung hatte alle Schichten der Bevölkerung sowie die Regierung
tief durchdrungen. Sie hatte namentlich in dem geistvollen und rastlos
thätigen Friedrich List, dem Begründer des nationalen Systems
der Volkswirthschaft und des Zollvereinsblattes, einen einflußreichen
Vertreter in der Presse. Diesen Verhältnissen entsprechend, vertrat
die württembergische Regierung ihren Standpunkt auf den Zoll—
konferenzen mit Entschlossenheit und Zähigkeit.
Aehnliche Verhältnisse walteten in Baden. In diesem Lande,
das vor seinem Eintritt in den Zollverein kaum ein anderes
Gewerbe als den Schleichhandel gekannt hatte, war in wenigen
Jahren eine weit verzweigte und blühende Industrie entstanden,
unter der die Baumwollspinnerei rühmlich hervortrat. Die in ernster
Weise auf die Wohlfahrt des Volkes und das Gedeihen der In—
dustrie bedachte Regierung wandte sich daher mit Entschiedenheit
den Schutzzollprinzipien zu.
In Bayern lagen die Verhältnisse etwas anders. Auch dort
hatte sich, besonders in Augsburg, die Spinnerei erheblich ent—
wickelt, in anderen Landestheilen hatte dagegen die Weberei eine
größere Ausdehnung erlangt, die beiderseitigen Interessen hielten
sich daher die Waage. Die wichtigste Industrie des Landes, die
Nürnberger, war seit Jahrhunderten auf eigenthümlicher, vollkommen
selbständiger Grundlage entwickelt und längst auf allen Märkten der