Full text: Erster Band (1. Band)

0 Der Centralverband 1876 10901. 
Vertrages zur Bedingung für die Erneuerung des Zollvereins 
machte. Daher ward auch in der preußischen Mittheilung sofort 
eine eventuelle Kündigung der Vereinsverträge in Aussicht gestellt. 
Dieser Vertragsabschluß machte in Deutschland wie in Oesterreich 
— Preußen hatte den Vertrag auch sofort der österreichischen Regierung 
mitgetheilt — das größte Aufsehen. Ueber die politische Natur 
dieses Schrittes herrschte kein Zweifel: überall wurde dieser 
Separatvertrag als ein sehr geschicktes, lediglich auf 
politischen Beweggründen beruhendes Manöver be⸗ 
trachtet, dessen Spitze zunächst gegen Desterreich gee 
richtet war. Denn es war klar, daß solche von, Preußen selbst 
früher unbedingt abgewiesenen Zugeständnisse von preußischer Seite 
nicht durch volkswirthschaftliche Erwägungen oder mit Rücksichten 
auf irgend welche Interessen der Vereinsmitglieder begründet werden 
konnten. Der Vertrag war, wie bereits erwähnt, die nothwendige 
Folge der Stellung, die Oesterreich zum Zollvereine eingenommen 
hatte, und der zwischen Preußen und dem größeren Theile der 
übrigen Vereinsregierungen eingetretenen Entfremdung. 
Wollte Preußen nicht die Führung des Zollvereins an 
Oesterreich überlassen, wollte es nicht bei der bevorstehenden Er— 
neuerung der Vereinsverträge zu anderweitigen Konzessionen ge— 
zwungen werden, so mußte es vor allem seine Stellung im Norden 
befestigen und für den Fall einer Auflösung des Zollvereins, wie 
bereits bemerkt, ein Mittel gegen die Trennung seiner beiden 
Reichshälften in Händen haben. Beides gewährte ihm der Vertrag 
mit Hannover; mit ihm konnte es den Operationen der auf den 
Beitritt von Oesterreich dringenden Vereinsregierungen widerstehen 
und äußersten Falles selbst eine Auflösung des bisherigen Zoll— 
verbandes mit dem Süden sich gefallen lassen, ohne sich einem 
gänzlichen Scheitern seiner bisherigen Zollpolitik auszusetzen. War 
der Preis für diese Zwecke auch ein sehr hoher, so war er dennoch 
kein übermäßiger, und der Vertrag wurde daher auch in Preußen 
von der Regierung sowohl wie von dem Publikum mit großer Be—⸗ 
friedigung begrüßt. 
Dieser Vorgang war aber auch von hoher Bedeutung für die von 
der preußischen Regierung in der Zollpolitik verfolgte Richtung. In 
dem Vertrage war eine wesentliche Herabsetzung der Zölle für die 
wichtigsten Einfuhrartikel festgestellt; demgemäß war die preußische 
Regierung, lediglich durch politische Beweggründe ver—
	        
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