2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. B. Sozialpolitik. 345
über, die es nicht für zweckmäßig erachteten, die Berufsgenossenschaften
noch mit der Alters- und Invalidenversicherung, namentlich mit
den umfassenden Finanz- und Kassengeschäften zu belasten, diese
vielmehr einer Reichsversicherungsanstalt oder einer sonstigen Central—
stelle überweisen wollten. Den Berufsgenossenschaften sollte nur
eine gewisse materielle Mitwirkung übertragen werden. Dieser
Standpunkt war von der Kommission des Centralverbandes ver—
treten worden.*)
Der Volkswirthschaftsrath hatte das von den „Grundzügen“
aufgestellte Prinziß angenommen; es war auch von dem Berufs—
genossenschaftstag befürwortet worden. Der Centralverband war
von seiner abweichenden Haltung nicht zurückgekommen.“*) Nach
dem Gesetzentwurf sollte die Alters- und Invalidenversicherung
erfolgen (85 27) durch Versicherungsanstalten, die nach Be—
stimmung der Landesregierungen für weitere Kommunal—
verbände ihres Gebietes oder für das Gebiet eines
Bundesstaates oder für mehrere Bundesstaaten oder
Gebietstheile derselben zu errichten waren. Somit war der
von dem Geheimen Finanzrath Jencke bei der ersten Verhandlung
im Centralverbande gemachte Vorschlag für die Organisation durch—
gedrungen.
Bezüglich der Frage, ob das Kapitaldeckungs- oder das Umlage—
verfahren einzuführen sei, war die in dem Gesetzentwurf getroffene
Entscheidung darüber wichtig, wer bei der Zahlungsunfähigkeit einer
Versicherungsanstalt die Deckung der Verbindlichkeiten zu übernehmen
habe. Bekanntlich war von den Gegnern des Umlageverfahrens diesem
als Mangel eine ungenügende Sicherheit für spätere Zeiten zuge—
schrieben. Von den Freunden desselben wurde darauf hingewiesen, daß
eine solche unbedingte Sicherheit überhaupt nicht gegeben werden
könne, daß vielmehr im schlimmsten Falle das Reich einzutreten habe.
Dieser Gedanke war von dem Gesetzentwurf im 8 30 aufgenommen
worden, wenn er auch nicht in Bezug auf das Reich angewendet
worden war. Es hieß daselbst: „Für die Verbindlichkeit der Ver—
sicherungsanstalt haftet den Gläubigern das Anstaltsvermögen, so—
weit dasselbe zur Deckung der Verpflichtungen der Ver—
*) Verhandlungen ꝛc. des Centralverbandes, Heft 88, S. 210- 218.
**8) Ueber die Frage der Organisation war auch im Ausschuß des
Ceutralverbandes am 23. November 1887 verhandelt worden. Siehe Heft 38,
S. 83—88 und 91-93