4 H. A. Bueck. Centralverband Deutscher Industrieller.
auch die volle Selbstverantwortlichkeit eines jeden zugrunde. Ge— n
werbefreiheit, Freizügigkeit, Koalitionsrecht und ein ungemein aus— so
gebildetes, selbst dem Unbemittelten auch für weitere Entfernungen zu— w
gängliches Verkehrswesen setzen den Arbeiter in den Stand, die
möglichsten Vortheile in Bezug auf die Erlangung von Arbeit und Lohn
sich zu nutze zu machen. Dafür war er auch darauf angewiesen, für sich st!
und die Seinen allein zu sorgen, und er konnte Niemand für seinen
Unterhalt und für seine Existenz verantwortlich machen. Der Arbeiter sti
hatte aber keine Gewähr für dauernde Beschäftigung, und sein Lohn al⸗
reichte gewöhnlich nur zur Deckung der unbedingt nothwendigen Lebens— 30
haltung aus. Daher war der Arbeiter hilflos, wenn Unglück, In— fü
validität oder Altersschwäche ihm seine Erwerbsfähigkeit theilweise od
oder ganz raubten. Es liegt nicht in der Natur des Menschen, all
an einen frühzeitigen Tod zu glauben, somit hatte jeder Arbeiter die G1
traurige Perspektive vor sich, im Falle der Erwerbs- oder Hilflosig— stü
keit ein Kostgänger der Armenpflege zu werden. gel
Wer kraftvoll in das Getriebe des wirthschaftlichen Lebens zw
eingreifend seinen Platz ausfüllt und sich für ein nützliches Glied gri
in der Kette der wirthschaftlichen Kräfte zu halten berechtigt ist
— diese Berechtigung hat der Durchschnitt unserer Arbeiter — für zwe
den mußte der Gedanke grauenvoll sein, im Falle der Erwerbs— Ge
losigkeit nicht nur auf die ihm von der Armenpflege gewährten deß
denkbar geringsten Existenzmittel angewiesen zu sein, sondern auch fest,
mit dem Gefühl, der Gesellschaft zur Last zu fallen, in gewissem Un
Grade eine entehrende Stellung einzunehmen. Denn diese Stellung sell⸗
wird den Empfängern öffentlicher Almosen nicht nur nach der land— den
läufigen Anschauung, sondern auch vom Staate zugewiesen, der den Ger
Almosenempfänger eines Theiles seiner bürgerlichen Rechte entkleidet. zwa
Aus diesen Empfindungen, die besonders in breiten Schichten der das
besseren Arbeiter Wurzel geschlagen hatten, ist die traurige Saat 42
der Erbitterung und des Klassenhasses empor geschossen, ist die der
Sozialdemokratie entstanden. In der Unsicherheit der Existenz des den
Arbeiters und seiner Angehörigen lagen die wesentlichsten Ursachen Arn
des sozialen Unfriedens, der die materielle und intellektuelle Ent— kräf
wickelung aller Kulturvölker aufhält, liegt die Gefahr, daß dieser dur
Unfriede in gewaltsamem Ausbruch diese Entwickelung stören und Reo
die Völker auf Jahrhunderte in ihrer Kultur zurückwerfen könnte. richt
Hier aber lag auch das Feld, auf welchem durch weise und wohl—
wollende Kulturarbeit die Keime des Unfriedens zerstört werden die