Full text: Zweiter Band (2. Band)

386 H. A. Bueck. Centralverband Deutscher Industrieller. 
Bedenken beseitigen zu können, eine ganz besonders vorsichtige und 
wohlwollende Berücksichtigung von Seiten des Hauses finden 
werden.“ 
Die Redner der freisinnigen Partei, die Abgeordneten 
Schrader*) und Rickert**) erklärten zwar der Vorlage in ihrem 
Gedanken und in ihrer Tendenz keineswegs feindlich gegenüber zu 
stehen, bekundeten aber doch, unter Bekämpfung fast aller Vorschläge 
der Regierung, eine entschieden ablehnende Haltung. Schrader 
tadelte die von dem Gesetz gezogenen Grenzen. Er vermisse jede 
Grundlage für die Berechnung der Beiträge und der Renten, er— 
achtete die Letzteren für durchaus unzureichend, empfahl aber dem 
Reichstage die Verantwortung, welche die Regierung jetzt zu tragen 
habe, nicht dadurch zu mildern, daß er in seinen Beschlüssen über 
die Vorschläge der Regierung hinausgehe. Der Redner tadelte die 
Ortsklassen scharf, gestand aber, daß er Besseres nicht vorzuschlagen 
wisse und „daß auch hier die Kritik leichter sei, als das Anders— 
machen.“ („Sehr richtig!“ rief der Staatssekretär des Innern da— 
zwischen.) Den Reichszuschuß verwarf der Redner, weil er gezahlt 
werden müsse von denen, zu deren Gunsten er dienen sollte. 
Schrader ging überhaupt von der Ansicht aus, daß die Arbeiter 
für sehr mäßige Renten, durch die sie in sehr vielen Fällen vor 
der Armenunterstützung nicht geschützt sein könnten, keineswegs 
geringe Beiträge und zu diesen noch den Reichszuschuß zu zahlen 
haben würden. Daher widerstrebten die Arbeiter dem Gesetzentwurf, 
für den sich bisher noch keine Arbeiterversammlung ausgesprochen 
habe. Der Redner erklärte sich gegen die Reichsanstalt, die zu 
komplizirt sei, gegen die Heranziehung der Krankenkassen, die erst 
im Sinne einer einheitlichen Centralorganisation umgestaltet werden 
müßten und, wesentlich aus politischen Gründen, gegen den Gedanken, 
Unfall⸗, Kranken- und Invalidenversicherung in eine Organisation 
zusammenzufassen. Im allgemeinen bemerkte er, das ganze Streben 
laufe darauf hinaus, jeden Arbeiter, wie die Beamten, zu Staats—⸗ 
pensionären zu machen, also den Weg der Sozialdemokratie zu 
gehen. Das würde als das Ergebniß der Invalidenversicherung 
anzusehen sein. Sie werde den Arbeitern nicht viel leisten und was 
geleistet werde, müsse der Arbeiter zum großen Theil selbst bezahlen. 
*) Stenogr. Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstags, 
VII. Legisl.-Periode, 4. Session 1888/89, Band 1, S. 183 192. 
**) Ebendaselbst S. 219 227.
	        
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