Full text: Zweiter Band (2. Band)

2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. B. Sozialpolitik. 475 
Das neue Krankenkassengesetz wurde am 10. April 1892 
amtlich veröffentlicht, es sollte am 1. Januar 1893 in Kraft treten. 
Aus der Berathung des Reichstages war die Novelle zum 
Krankenkassengesetz in einer Gestalt hervorgegangen, die hinsichtlich 
bedeutender Bestimmungen den Absichten der Regierung nicht 
entsprach. Noch weniger aber entsprach sie den wohlerwogenen 
Forderungen des Centralverbandes, die aus den langjährigen 
Erfahrungen seiner im praktischen Leben und in steter Beziehung 
mit den Arbeitern stehenden Mitglieder hervorgegangen waren. 
Die gesetzliche Feststellung der Karenzzeit war aufgehoben worden, 
an deren Stelle bestimmte die Ziffer 14 des 8 21: „Das Kranken— 
geld kann allgemein oder unter bestimmten Voraussetzungen schon 
vom Tage des Eintrittes der Erwerbsunfähigkeit ab, sowie für 
Sonn- und Festtage gewährt werden, sofern dieses sowohl von 
der Vertretung der zu Beiträgen verpflichteten Arbeitgeber (8 38), 
als auch von derjenigen der Versicherten beschlossen wird, oder 
sofern der Betrag des gesetzlich vorgeschriebenen Reservefonds 
erreicht ist. Im Centralverbande wurde vorhergesehen, daß die 
nunmehr anheimgegebene Aufhebung der Karenzzeit, von einzelnen 
Kassen durchgeführt, zwingend auch für die anderen sein würde. 
In 8 264 war die in der Regierungsvorlage vorgesehene 
Möglichkeit, die Kassenmitglieder statutarisch zu verpflichten, andere 
von ihnen eingegangene Versicherungsverhältnisse innerhalb einer 
bestimmten Zeit bei Verlust ihrer Ansprüche an die Kasse dem 
Kassenvorstande anzuzeigen, abgeschwächt worden. Dem Beschlusse 
der Kommission entsprechend war an die Stelle der Androhung des 
Verlustes der Ansprüche an die Kasse, die Androhung einer Geld— 
strafe bis zu 20 Mark gesetzt. 
Im 8 28 Absatz 2 war die von der Regierung vorgeschlagene 
Bestimmung, nach welcher im Falle von Erwerbslosigkeit infolge 
vertragswidrigen Austritts aus der Beschäftigung der Anspruch auf 
die gesetzliche Mindestleistung der Kasse in Wegfall kommen sollte, 
gestrichen. Den unter Kontraktbruch strikenden Arbeitern war somit 
der volle Anspruch an die Mindestleistung der Kasse erhalten worden. 
Der 8 46a der Regierungsvorlage, der die Möglichkeit ge— 
währen sollte Verbände der in 8 46 gedachten Art, in Ermangelung 
einer Vereinbarung, auch durch Anordnung der Aufsichtsbehörde 
zu bilden, war gestrichen worden. Die Mehrheit des Reichstages 
hatte, gemäß dem Vorschlage ihrer Kommission, die Gunst der
	        
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