Full text: Zweiter Band (2. Band)

652 H. A. Bueck. Centralverband Deutscher Industrieller. 
gemacht werden würde. Annehmbar sei seiner Partei die Selbst— 
versicherung in der gewünschten Ausdehnung geworden durch den 
zu 8 16 gestellten Antrag, die Karenzzeit von 400 auf 500 Wochen 
zu erhöhen. Dieser Antrag ist nicht in das Gesetz übergegangen. 
Im Centralverbande war bekanntlich die Ansicht vertreten, 
daß nicht allein durch die Erweiterung der Versicherungspflicht, 
sondern im bedeutenderen Umfange noch durch die Bestimmungen 
über das Recht zur freiwilligen Versicherung das Gesetz auf Kreise 
ausgedehnt werde, die ursprünglich von der Arbeiterversicherung 
durchaus nicht umfaßt werden sollten. Daß diese Auffassung 
durchaus richtig sei, wurde im Namen der konservativen Partei 
von dem Abgeordneten von Loebell bestätigt, der sich im übrigen 
mit diesen Bestimmungen vollkommen einverstanden erklärte. Er 
bemerkte, daß seine Partei alle Bedenken gegen das Gesetz und alle 
auf organische Verbesserungen gerichteten Wünsche zurückgestellt habe, 
weil sie das eine Ziel im Auge habe, „eine für die arbeitende 
Bevölkerung und nunmehr auch für den Mittelstand außer— 
ordentlich segensreiche sozialpolitische Gesetzgebung zum Abschluß zu 
bringen. Wir haben die Hoffnung, daß bei der Ausführung 
des Gesetzes thatsächlich den Bevölkerungsklassen, denen wir unser 
Wohlwollen in allererster Linie zuwenden, d. i. der arbei— 
tenden Bevölkerung und dem Mittelstande, erhebliche Vor— 
theile werden zutheil werden.“s) Dadurch war, unter Aus— 
nützung zugunsten der Mittelstandspolitik, von der konservativen 
Partei ausdrücklich anerkannt, daß die Arbeiterversicherungsgesetz— 
gebung die ihr ursprünglich gezogenen Grenzen weit überschritten habe. 
Es ist hier bereits dargestellt worden, daß die Gegner der 
örtlichen Rentenstellen sich beschieden hatten auf Grund eines 
Kompromisses, der hier bereits genügend charakterisirt worden ist. 
Die früheren Gegner der Rentenstellen trösteten sich über die mit 
dem schwächlichen Kompromisse bestätigte Aufgabe ihres Wider— 
standes mit der Hoffnung, daß, wie der Abgeordnete Möller 
sagte, „man nicht annehmen könnte, daß gegen den ausdrücklichen 
Wunsch und Beschluß der Provinzialselbstverwaltungsbehörde die 
Zentralinstanz eine Rentenstelle errichten würde. Daß die Renten— 
stellen vielen von meinen Freunden nicht genehm sind, ist zur 
*) Stenogr. Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstags, 
X. Legisl.-Periode, 1. Session 1898/1900, Band 3, S. 2510.
	        
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