Full text: Zweiter Band (2. Band)

754 H. A. Bueck. Centralverband Deutscher Industrieller. 
Verhältnisse unter der sozialdemokratischen Herrschaft in den 
Krankenkassen entwickelt hätten, so könne man die Zustände als 
geradezu haarsträubend bezeichnen. Sie seien geeignet, ein sehr 
charakteristisches Licht darauf zu werfen, wie es den gebildeten 
Kreisen in dem sozialdemokratischen Zukunftsstaate gehen würde. 
Der Redner besprach dann die äußerst geringe Besoldung der 
Aerzte durch die Krankenkassen, die er zum allergrößten Theil als 
Hungerlöhne bezeichnete. Er machte auf den Widerspruch auf— 
merksam, daß die Sozialdemokraten stets Widerspruch gegen Sub— 
missionen und Mindestlicitationen erhöben und die Regelung der 
Lohnsätze nicht nach Angebot und Nachfrage, sondern auf einer den 
Interessen der Arbeiter besser entsprechenden Grundlage verlangten. 
Wenn es sich aber um die Kontrakte mit Aerzten und Apotheken handle, 
dann verlangten sie, daß das niedrigste Angebot der Arbeitsuchenden 
den Ausschlag gebe. Mit Bezug auf die Einbeziehung der land— 
wirthschaftlichen Arbeiter legte der Redner die durchaus verschiedenen 
Verhältnisse in der Landwirthschaft und in dem übrigen Gewerbe 
dar. Er verwies darauf, daß der Besuch eines Arztes, je nach der 
Entfernung des Wohnsitzes des Erkrankten von der Bahn, auf 
15 bis 20 Mark zu stehen komme und daß dadurch Lasten entstehen 
würden, die von kleineren bäuerlichen Gemeinden nicht getragen 
werden könnten. Er hob hervor, daß bei den größeren Grund— 
besitzern, ohne den Zwang des Gesetzes, eine vollkommen geregelte 
Krankenfürsorge in ausreichender Weise bestehe. Eine allgemeine 
Regelung der Krankenfürsorge auf dem Lande werde aber erst ein— 
treten können, wenn jede größere ländliche Ortschaft auch einen 
Arzt und eine Apotheke aufzuweisen haben würde. 
Der Abgeordnete Gamp beantragte die Ueberweisung des 
Gesetzentwurfes an eine Kommission von einundzwanzig Mitgliedern 
und schloß seine Rede mit folgenden Worten: „Ich verhehle mir 
allerdings nicht, daß bei der gegenwärtigen Geschäftslage es viel— 
leicht nicht möglich sein wird, das Gesetz noch in dieser Session zu 
verabschieden; aber ich muß sagen, es scheint mir doch am Platze 
zu sein eine gründliche, sorgfältige Durchberathung vorzunehmen, 
die auch die Grundlage liefern wird eventuell für ein neues, im 
nächsten Jahr gleich nach Zusammentritt des Reichstages uns vor— 
zulegendes Gesetz. Ich bin nicht der Ansicht, daß wir hier Flickarbeit 
machen sollen, sondern daß wir möglichst die schwersten Bedenken, 
die hiergegen erhoben worden sind, doch aus der Welt schaffen.“
	        
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