Full text: Zweiter Band (2. Band)

2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. B. Sozialpolitik. 759 
Krankenkassen zu verpflichten. Wichtiger aber als dieser Punkt sei 
die Stellung der freien Hilfskassen, die der Centralverband ja von 
jeher auf das heftigste bekämpft habe. Dr. Tille hob die einzelnen 
Punkte der bevorzugten Stellung der Hilfskassen und deren ungünstige 
Einwirkungen im allgemeinen, wie besonders auch auf die anderen 
Krankenkassen hervor. Sie sind hier nun zuletzt noch in den Artikeln 
des Geh. Regierungsraths Hoffmann aufgeführt worden. 
Dr. Tille zog daraus den Schluß, daß die staatliche An— 
erkennung der freien Hilfskassen geradezu eine Prämie auf den 
Beitritt zu diesen sozialdemokratischen Organisationen setze. Da—⸗ 
her halte er unbedingt eine Einschränkung, wenn nicht eine 
gänzliche Aufhebung der freien Hilfskassen für erforderlich. In 
seinem Schlußparagraphen gebe freilich der Gesetzentwurf einer 
einsichtsvollen Aufsichtsbehörde schon die Handhabe zur Ein— 
schränkung der freien Hilfskassen. Der Paragraph laute: „Die 
auf Grund des 8 754 des Krankenversicherungsgesetzes den Hilfs— 
kassen ausgestellten Bescheinigungen verlieren am 1. Januar 1904 
ihre Gültigkeit, insofern sie nicht nach der Verkündigung dieses 
Gesetzes von neuem ertheilt worden sind.“ Danach bestehe mit 
Ablauf des Jahres schon die Möglichkeit, einen größeren Kreis von 
gegenwärtig anerkannten freien Hilfskassen von der Anerkennung 
auszuschließen. Ob das in dem Umfang geschehen werde, wie es 
wünschenswerth sei, erscheine allerdings fraglich. 
Um an einem Beispiele zu zeigen, wie man in sozialdemo— 
kratischen Kreisen die freien Hilfskassen auffasse, machte der Referent 
einige Mittheilungen über die Verhandlungen zweier großer Kongresse. 
Er wies zunächst darauf hin, daß sich an die Ortskrankenkassen 
eine besondere Form der sozialdemokratischen Organisation an— 
schließe, die sogenannten Zentralkommissionen. Dies seien 
inoffizielle Kommissionen, die sich aus den Vorstandsmitgliedern 
der verschiedenen Krankenkassen eines größeren Bezirkes zusammen— 
setzen und gewissermaßen hinter den Coulissen die gesammten Geschäfte 
der Ortskrankenkassen leiten. Das Bestehen einer derartigen 
Organisation sei durchaus nicht wünschenswerth. Es könne nicht 
im Sinne der Staatsidee liegen, durch ein Gesetz der Sozial— 
demokratie die Grundlage für die weitere politische Organisation 
zu geben. Der Redner verlas den Abschnitt einer Resolution, die 
am Tage vorher vor dem allgemeinen Kongreß der Krankenkassen 
Deutschlands in Berlin angenommen war. Sie lautete: „Im
	        
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