Full text: Zweiter Band (2. Band)

2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. B. Sozialpolitik. 761 
Sehr richtigh) Regierung und Mehrheitsparteien sind einig darin, 
ihnen den Garaus zu machen. Die Hilfskassen sollten deshalb 
nicht warten, bis ihnen der Prozeß gemacht wird, sondern sich 
schon jetzt freiwillig auflösen und ihre gesammte Thätigkeit in die 
Gewerkschaften verlegen. Die Gewerkschaften würden dadurch um 
3 400000 Mitglieder verstärkt werden und eine Stabilität er— 
langen, die sie mehr als bisher in die Lage bringt, den Angriffen 
des Unternehmerthums zu begegnen. Auch in ideeller Beziehung 
haben die Krankenkassen viel geleistet; in der Umbildung des 
sozialen Bewußtseins durch die Krankenversicherung ist der Begriff 
des Almosens stark eingeschränkt worden. Weite Bevölkerungs⸗ 
kreisen die früher den Anschauungen des Proletariats 
ganz ferne slanden, sind durch die Krankenkassen dem 
sozialen Gedanken gewonnen worden. Eine Erweiterung 
der Versicherungspflicht verlangen wir deshalb nicht blos aus 
finanziellen, sondern auch aus ideellen Gründen, und wir werden 
nicht eher ruhen, als bis das ganze deutsche Volk in die Ver— 
sicherung einbezogen ist. Wir dringen in die Regierung die Aus— 
dehnung der Krankenversicherungspflicht auf den Kreis der Ver— 
sicherung gegen Invalidität vorzunehmen und die Familien⸗ 
versicherung einzuführen.“ 
Dr. Tille meinte, daß diese Kundgebungen der Industrie 
schon allein die Stellung anweisen, die sie zu der sozialdemokratischen 
Agitation in den Krankenkassen einnehmen müsse. 
Zu der Frage übergehend, welche Stellung die Industrie dem 
vorliegenden Gesetzentwurf gegenüber einzunehmen habe, schloß sich 
Dr. Tille, unter eingehender Darstellung der einzelnen Gesichts— 
punkte, der Ansicht an, daß die höchst werthvollen Zugeständnisse 
an die Versicherten eine weitere organische Reform des Kranken— 
kassenwesens für unabsehbare Zeit verhindern würden. Der Referent 
schloß seinen von allseitiger Zustimmung begleiteten Vortrag mit 
der Verlesung der von ihm im Namen des Direktoriums des 
Centralverbandes vorgelegten Resolution: 
„Der Centralverband Deutscher Industrieller ist, trotz der 
damit verbundenen neuen Belastung der Industrie, einverstanden 
mit den neuen Vergünstigungen, welche die Novelle zum 
Krankenkassengesetz den Versicherten bietet; er billigt 
insbesondere die Ausdehnung der Krankenunterstützung 
von 13 auf 26 Wochen, die Verlängerung der Unter—
	        
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