2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. B. Sozialpolitik. 765
einem Drittel auf Seiten der Arbeitgeber. Das würde dafür
sprechen, eine bessere finanzielle Grundlage für die neue Form der
Versicherung herzustellen; daher habe er keinen Anlaß gehabt,
darauf einzugehen, wenigstens nicht in dem betreffenden Zu—
sammenhange.
In der Ansicht, daß die gebotene Statistik gänzlich unzu—
reichend sei, stimme er mit Dr. Brandt völlig überein. Sie habe
ihre Schlußfolgerungen auf die Ergebnisse der Frankfurter und
der Leipziger Kassen aufgebaut, die gänzlich außerhalb der gewöhn—
lichen Verhältnisse arbeiteten — Ergebnisse, die sich zudem nur auf
einen kurzen Zeitabschnitt bezögen. Die Reichsregierung habe das
auch offenbar empfunden, denn sie habe noch einen erheblichen
Sicherheitszuschlag zu dem Ergebniß der Berechnung gemacht und
die Kosten nach oben auf 10 pCt. abgerundet. Er fürchte aber,
daß für eine Reihe von Ortskrankenkassen und kleineren Betriebs—
krankenkassen große Schwierigkeiten entstehen könnten. Ein Betrieb
der Textilindustrie beispielsweise, der mit einem verhältnißmäßig
hohen Prozentsatz von verheiratheten Frauen arbeite, wurde plötzlich
für die Unterstützung der Wöchnerinnen das 11/2fache zu zahlen
haben. Eine solche Kasse würde für ihren weiteren Belrieb eine
ganz andere Grundlage nöthig haben. Freilich, wenn diese Kasse
eine Betriebskrankenkasse sei, so werde dies nicht auf besondere
Schwierigkeiten stoßen, denn der Fehlbetrag sei von dem Unter—
nehmer zu decken. So könne eine ganze Reihe von Gesichtspunkten
an diese Gesetzesvorlage geknüpft werden, die den Beweis lieferten,
daß sie nicht genügend durchdacht und daher unreif sei.
Bei der Abstimmung wurde die von dem Referenten im Auf⸗
trage des Direktoriums vorgelegte Resolution von der Delegirten⸗
versammlung einstimmig angenommen, mit dem weiteren Beschlusse,
sie mit einer Begründung der Reichsregierung und dem Reichstage
zu unterbreiten.
Die Kommission des Reichstages zur Vorberathung des
Entwurfes eines Gesetzes, betreffend die weitere Abänderung des
Krankenversicherungsgesetzes, hatte ihre Arbeiten am 4. März be⸗—
gonnen und mit der elften Sitzung am 27. März 1903 beendet.
Sie begann mit dem Beschlusse, zwei Lesungen vorzunehmen, da—
gegen von einer Generaldebatte abzusehen. Sie wollte sofort in
die Einzelberathung der Vorlage beziehungsweise der in der